Champions League, Umzugshelfer und Insta-Berühmtheit

Altach Charlotte Voll spielte in der Champions-League vor 43.255 Zuschauern, Thomas Tuchel trug ihre Umzugskartons und für ein Date mit einem Beckham-Sprössling wurde sie von einer Mitspielerin versetzt. Jetzt spielt die Torfrau in Altach. Wie kam es dazu?

Beim Gespräch mit den VN ist Charlotte tiefenentspannt. Denn: Im Ländle hat sie sich gut eingelebt, einzig ihr Wlan fehlt noch – was das Fernstudium in Sportmanagement doch etwas verkompliziert. Sie sagt: „Ich wurde noch nie so gut aufgenommen. Mir kommt es vor, als wäre ich schon ein Jahr hier.“

Höhen und Tiefen

Vier Jahre stand Voll bei Paris SG unter Vertrag, unterbrochen von einer Saison beim SC Sand. In Paris war sie erst dritte Torhüterin, stieg dann zur Nummer zwei auf. „Im letzten Jahr war ich alles von der Nummer eins bis drei. Ich wusste nicht, wo ich stehe. Das macht dich müde im Kopf.“ Das letzte Dreivierteljahr habe viel überschattet, meint sie. Medial sorgte 2021 vor allem eine Meldung für Aufsehen: PSG-Mittelfeldspielerin Kheira Hamraoui wurde von zwei Männern mit einer Eisenstange attackiert. Mitspielerin Aminata Diallo wurde verdächtigt, den Angriff initiiert haben, landete in U-Haft. „Bis heute ist ungeklärt, was da eigentlich passiert ist“, erklärt Voll. Der Vorfall sorgte für Zerwürfnisse in der Kabine.

Sportlich hingegen gab es Highlights. Im CL-Halbfinalrückspiel gegen Olympique Lyon stand die Deutsche im April im Tor. Zum Weiterkommen reichte es zwar nicht, dennoch ein unvergessliches Erlebnis. „Ich habe bis heute nicht wirklich realisiert, wie viele eigentlich da waren“, sagt sie. 43.255 waren es. Nachdem die Stammtorhüterin sich in der ersten Hälfte das Knie verdrehte, durfte Voll ran – vor der Kurve der PSG-Fans. „Du fängst einen Ball ab, den du jeden Tag im Training problemlos hältst. Und die rasten hinter dir komplett aus.“ Mangelnde Spielzeit sorgte aber für einen Wechselwunsch. Einen großen Anteil am Transfer hatte schließlich ihr bester Freund, VfB-Hohenems-Torwart André Breitfuss. Der kannte den Sportlichen Leiter der SPG, Tobias Thies, noch vom FC Schlins. Erste Gespräche mit Altach/Vorderland gab es deshalb im vergangenen Sommer.

Promis und Social Media

Dass sie im Profifußball gelandet ist, sei laut Voll eher Zufall gewesen. Zwischen schriftlichem und mündlichem Abitur erhielt sie eine Einladung zum Probetraining. „Ins Ausland wollte ich sowieso.“ Statt College in den USA wurde es ein Profivertrag in Paris. Zur selben Zeit trainierte Thomas Tuchel bei PSG. Wie es der Zufall wollte, freundete sich „Charly“ mit dessen Videoanalysten an. Über ihn kam Voll auch mit Tuchel ins Gespräch – und hatte später ein ungewöhnliches Erlebnis mit dem Starcoach. Bei ihrem Umzug („Ich bin da mit meinem ganzen Gerödel die Straße runtergelaufen“) sei ihr zufällig Tuchel mit seinem PR-Berater begegnet, winkte ihr – und half beim Tragen. „Das war ein bisschen unangenehm: Thomas Tuchel trägt meine Umzugskartons.“ Ein anderes Mal wollte sie im Urlaub in Miami eine Freundin treffen, die dort auf Trainingslager war. „Geht nicht, bin mit Romeo Beckham verabredet“, bekam Voll als Antwort. Der Beckham-Sprössling kickt beim dortigen Inter Miami CF, Vater David ist Miteigentümer der Franchise.

Ganz nebenbei wurde „Charly“ zum Social-Media-Star. Auf Instagram folgen ihr 107.000, 61.000 Follower hat sie auf TikTok. Ihr meistgeliktes Bild gefällt heute über 186.000 Accounts. „Keine Ahnung, wie das passiert ist. Innerhalb einer Woche ist das komplett eskaliert!“ Eine Strategie habe sie nie verfolgt. Social-Media-Profis würden etwa ab Donnerstag zwischen 18 und 21 Uhr posten. „Und ich poste halt am Montagmorgen um elf!“, meint sie lachend. Zweimal wurde Charlotte Voll Pokalsiegerin in Frankreich, gewann die Liga, erreichte drei CL-Halbfinals. Diese Erfahrung möchte die 23-Jährige in Altach auf das Feld bringen. Sie wolle möglichst viel spielen – und so gut wie möglich. „Aber da bin ich sowieso mein größter Kritiker.“

„Das war ein bisschen unangenehm: Thomas Tuchel trägt meine Umzugskartons.“