Je älter, desto erfolgreicher: Helmut Marko wird 80

Sport / 25.04.2023 • 20:27 Uhr / 7 Minuten Lesezeit
Helmut Marko und Rudi Lins (l.) fuhren 1970 im Porsche 908 in le Mans auf den dritten Platz. Gut 30 Jahre später stellte er die Weichen für Christian Klien. Noger, GEPA
Helmut Marko und Rudi Lins (l.) fuhren 1970 im Porsche 908 in le Mans auf den dritten Platz. Gut 30 Jahre später stellte er die Weichen für Christian Klien. Noger, GEPA

Was ihm als Rennfahrer tragischerweise verwehrt blieb, holte der Grazer als Manager nach.

Graz Den Ehrentag wird er versuchen zu ignorieren. Wenn Helmut Marko am 27. April 80 Jahre alt wird, wird er auf dem Weg nach Baku sein, zum nächsten Grand Prix. Offiziell wird er von Red Bull als „Motorsportberater“ bezeichnet, obwohl er einer der Direktoren von Red Bull Racing in England ist, obwohl er alle Entscheidungen in der Automobilsport-Förderung des Salzburger Unternehmens trifft, bei allen in Sachen Formel 1 gewichtig mitredet. Inoffiziell ist er bei Fahrern wie Mitarbeitern „der Doktor“, denn schließlich hat der am 27. April 1943 geborene Grazer schnell seinen Doktor iuris gemacht (1967), ehe er in die große Motorsportwelt auf den Spuren seines Jugendfreundes Jochen Rindt einbog.

Mit Lins in Le Mans

In der Tat glaubten alle Insider an eine große Karriere von Marko, der in Nachwuchsklassen und vor allem dann in Sportwagen mehr als nur Talent bewies. 1970 war er bereits Dritter in Le Mans mit Rudi Lins beim historischen ersten Gesamtsieg Porsches in dem Klassiker, den er ein Jahr später mit dem Niederländer Gijs van Lennep im Martini-Porsche 917 gewinnen sollte. Mit einem Distanzrekord von 5335 Kilometern, der 39 Jahre Bestand hatte. Da war Rindt inzwischen, am 5. September 1970, in Monza tödlich verunglückt, und Österreichs Motorsportfans suchten einen „Nachfolger“ im Trio Marko, Niki Lauda, Dieter Quester. „Die Sportwagen- oder Marken-WM war eigentlich so stark wie die Formel 1 damals, bis auf Jackie Stewart fuhren praktisch alle F1-Piloten auch Langstrecke. Le Mans 1971 war nicht nur ein Meilenstein in meiner Karriere, sondern auch der Durchbruch zur Formel 1“, bestätigt Marko rückblickend.

Der sich noch im selben Jahr für ihn und auch für Lauda ergab: F1-Debüt auf dem heimatlichen Österreichring, Marko im BRM, Lauda im March. Die Chance im Team von Louis Stanley tat sich auf, weil dessen Stammpilot Pedro Rodriguez im Sportwagenrennen auf dem Norisring tödlich verunglückt war. Stanley soll Marko das Cockpit um rund 180.000 Schilling, überlassen haben. Marko wurde im alten P153 Elfter mit zwei Runden Rückstand, die anderen BRM-Piloten (Sieger Siffert, Gethin/10. und Ganley/out) fuhren den neuen P160. Immerhin konnte Marko weiter Formel 1 für BRM fahren, bis zum Schicksalstag 2. Juli 1972.

GP von Frankreich auf dem Charade-Kurs nahe Clermont-Ferrand: Marko startete als bester BRM-Fahrer von Platz sechs, griff nach den ersten WM-Punkten. Er selbst sagt zum Unfall: „Ich bekam im letzten Moment das neue Chassis ohne Sitz­einstellung. Ich beachtete das nicht weiter, weil ich scharf drauf war, das neue Chassis zu fahren. Mit 1,83 Meter Körpergröße ragte mein ganzer Kopf aus dem Cockpit heraus. Dann kam in der neunten Runde der Stein, aufgewirbelt vom March von Ronnie Peterson, traf durch das Visier mein Auge. Ich brachte den BRM gerade noch zum Stehen und wollte nur raus, weil der Zwölfzylinder mit 250 Litern Sprit ja noch fast vollgetankt war und die Angst vor einem Feuer da war. Hinter mir waren 20 Autos, da hätte eine Kollision fatale Folgen gehabt. Passiert ist das Ganze bergab bei 250 km/h.“ Marko war kurz bewusstlos, wurde aus dem Auto gezogen. „Ich kannte mich überhaupt nicht aus, verspürte nur immense Schmerzen. Es gab dann unterschiedliche Meinungen, ob das Auge zu retten gewesen wäre. Aber je länger die sensible Versorgung über die Nervenstränge unterbrochen ist, desto geringer ist die Chance.“

Die aktive Karriere war vorbei

Marko gründete bald sein eigenes Team. RSM Marko war in der DTM engagiert (u.a. mit Franz Klammer), in Formel 3 und Formel 3000 (Europameister 1996 mit Jörg Müller). Marko wurde zu einem gestrengen Ausbildner für viele Talente – und wurde oft von Fahrern für seine diktatorische Art kritisiert. Beliebt machte er sich bei vielen damit nicht, doch für ihn zählte immer die Leistung. Berger, Wendlinger, Wurz, natürlich auch Christian Klien, Patrick Friesacher wurden von ihm mitgeprägt, um nur die Landsleute unter den „Schülern“ zu nennen.

Über Vermittlung von Markus Friesacher (mit dem Kärntner Patrick F. nicht verwandt) kamen Marko und Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz zusammen, das Red-Bull-Juniorteam (Premiere 1999 mit M. Friesacher und Enrique Bernoldi in der F 3000) wies den Weg zum eigenen F1-Team von Red Bull. An der Übernahme von Jaguar Racing Ende 2004 und von Minardi ein Jahr später hatte Marko mehr als nur eine Hand im Spiel.

Hotelier und Kunstsammler

Dem Rennfahrer Marko blieb der Traum von einem WM-Titel versagt. Als „Berater“ hatte er entscheidende Anteile an den vier Siegen von Sebastian Vettel und zwei von Max Verstappen sowie den fünf Konstrukteurstiteln von RB Racing. Genauso wie am Weg zum Motorenhersteller über die Tochterfirma Red Bull Powertrains, der die Unabhängigkeit bewahren soll, die mit einer Allianz mit Porsche nicht garantiert gewesen wäre und die deshalb auf wesentliches Betreiben von Marko platzte.

Marko müsste sich den Stress von 21 Flügen zu Formel-1-Rennen in seinem Alter nicht antun (zum Österreich- und Ungarn-GP kann er aus Graz ja mit dem Auto anreisen). Er ist in seiner Heimatstadt gut situiert. So wie er in der F1 als „graue Eminenz“ nicht nur bei Red Bull Racing gilt, so ist er es auch in der Grazer Hotellerie. Und er ist feinsinniger Kunstsammler, wäre auch mit dem Besuch auf Kunstmessen gut beschäftigt.

Doch Rennsport ist seine Leidenschaft seit den wilden Gymnasialzeiten und den ersten „Schwarzfahrten“. Als ich den damals 69-jährigen 2012 nach dem dritten Titel von Vettel fragte, wie lang er den F1-Job noch machen wolle, meinte er: „2014 laufen die Verträge von Vettel und Horner (Teamchef, Anm.) aus. Das wäre ein guter Zeitpunkt aufzuhören.“

Na ja. Ausstieg schon damals verpasst. Auch mit 80 zeichnet sich kein Ende der zweiten Rennsportlaufbahn ab. Es gilt ja noch einige WM-Titel zu holen. Auch wenn alles ohne Dietrich Mateschitz nicht mehr so sein wird wie bisher.

„Le Mans 1971 war nicht nur ein Meilenstein, sondern auch der Durchbruch zur Formel 1.“

Helmut Marko und Red Bull bogen mit Sebastian Vettel 2010 in der Formel 1 auf die Siegerstraße ein, der Deutsche wird als Nachfolger des Doktors gehandelt.gepa
Helmut Marko und Red Bull bogen mit Sebastian Vettel 2010 in der Formel 1 auf die Siegerstraße ein, der Deutsche wird als Nachfolger des Doktors gehandelt.gepa
Je älter, desto erfolgreicher: Helmut Marko wird 80

Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.