„Ich will sehen, ob sie schwimmen können“

Sport / 02.05.2023 • 21:10 Uhr / 8 Minuten Lesezeit
Erstes Ziel bei der A-WM ist für Roger Bader der Klassenerhalt. Es darf diesmal aber durchaus etwas mehr werden.gepa
Erstes Ziel bei der A-WM ist für Roger Bader der Klassenerhalt. Es darf diesmal aber durchaus etwas mehr werden.gepa

Eishockey-Teamchef Roger Bader vertraut jungen Spielern und macht sich Sorgen um die Torhüter.

Kapfenberg Zehn Tage vor Beginn der Eishockey-Weltmeisterschaft in Finnland und Lettland startete Österreichs Team in Kapfenberg die letzte Vorbereitungsphase. Teamchef Roger Bader erwartet im Interview mit Austria Presse Agentur einen Dreikampf mit Frankreich und Ungarn um den Klassenerhalt, freut sich über eine Gruppe junger Verteidiger und macht sich Sorgen um die Zukunft auf der Torhüter-Position.

Wie sind Sie mit der Vorbereitung zufrieden? Ist sie wie geplant gelaufen?

Bader Man weiß nie, wann welche Spieler einrücken und ob sie überhaupt einrücken. Man hat Kandidaten im Kopf, bevor die Mission beginnt. Dann fällt reihenweise ein Spieler nach dem andern aus, weil er sich verletzt hat. Das beeinflusst die ganze personelle Planung enorm, es ist eine rollende Planung. Unterm Strich bin ich zufrieden mit dem, was wir umsetzen konnten.

Was hat Ihnen in der Vorbereitung gefallen?

Bader Die Arbeitseinstellung der Spieler ist mustergültig, wir hatten immer einen hohen Trainingsrhythmus, sie sind motiviert, jeder will sich zeigen. Resultate sind immer wichtig, aber man trifft personelle Entscheidungen, damit man das große Bild sieht. Zum Beispiel im ersten Spiel gegen Italien habe ich auf den damaligen ersten Block verzichtet, das hat uns wohl den Sieg gekostet.

Wie schätzen Sie die Spiele gegen Topteams ein?

Bader Wir machen diese Spiele nicht, um im letzten Spiel (bei der WM) Ungarn zu schlagen. Dafür braucht es diese Spiele nicht. Wir machen diese Spiele, um auf das nächste Niveau zu kommen, um es irgendwann einmal in Richtung Top-12-Etablierung hinzubringen. Die Spieler entwickeln sich, wenn sie regelmäßig gegen solche Gegner spielen. Wir haben nach dem ersten Tschechien-Spiel analysiert und Fehler aufgezeigt und gesagt: Schaut, hätten wir gegen Italien oder Slowenien gespielt, wäre es nicht aufgezeigt worden. Wenn wir auf diesem Niveau mithalten wollen, müssen wir gewisse Dinge anders machen.

Sie reden ungern über Spieler, die nicht hier sind, aber was sagen Sie dazu, dass die Ausfallsliste lang und hochkarätig ist?

Bader Ich kann das nicht beeinflussen. Ich habe immer schon einen Reflex: wenn ein Spieler ausfällt, dann, Anführungszeichen, vergesse ich ihn für den Moment, weil es bringt nichts. In den ersten Minuten oder auch eine Stunde lang schluckt man. Viele Spieler hatten Blessuren, haben sogar verletzt gespielt, die Verletzung wurde dann schlimmer, das ist ein bisschen modernes Gladiatorentum.

Sie haben in den vergangenen Jahren oft einen Überraschungsmann wie Raphael Wolf oder Philipp Wimmer in den WM-Kader nominiert – hat heuer ein Kandidat besonders aufgezeigt?

Bader Ich bin keiner, der die Mannschaft zusammenstellt aufgrund des Status der Spieler, also quasi der war immer dabei. Ich mache eine Entscheidung vom Ist-Zustand. Ich traue mich auch, junge Leute ins kalte Wasser zu werfen und ihnen was zuzutrauen, was teilweise im Club nicht der Fall ist. Sie kommen zu mir und ich werfe sie ins Powerplay rein, weil ich sehen will, ob sie schwimmen können. Auf diesem Nährboden wissen die Spieler auch, dass sie Fehler machen können und deswegen nicht gleich den Platz verlieren. Bei Henrik Neubauer (von Zweitligist Zell/See) weiß ich noch nicht, ob er es schafft. Es wäre eine nette Geschichte, aber es ist noch ein weiter Schritt.

Die Verteidigung war in den vergangenen Jahren oft eine Problemzone. Jetzt haben Sie einen Kern an jungen Verteidigern, freut Sie das aktuell am meisten?

Bader Auf jeden Fall. Der Ursprung war das Beat-Cofid-Turnier vor zwei Jahren (in Slowenien). Da haben mir viele ältere Spieler abgesagt. Das hat dazu geführt, dass ich viele junge Spieler einberufen habe. Das ist schon der zweite Generationswechsel, den ich gemacht habe, der erste war gleich zu Beginn. Diese Kerngruppe, da kommt jetzt noch David Reinbacher dazu, hat damals begonnen, sich zu bilden.

Für eine WM ist immer wichtig, dass Österreich mit guten Torhütern zur WM fährt. Wie sehen Sie da die Situation?

Bader Es war noch nie anders als ein Sorgenkind und es wird sich auch nichts ändern, solange wir immer noch zehn Ausländer einsetzen können. Es gibt so viele finnische oder schwedische Torhüter auf dem Markt, die gar nicht mal so teuer sind. Ich kann sogar verstehen, wenn dann ein Club einen ausländischen Torhüter engagiert. Wir haben wieder die gleichen drei Torhüter wie letztes Jahr dabei. Sie waren letztes Jahr gut und werden das auch heuer sein. Irgendwann hört Bernhard Starkbaum (37 Jahre) auf, David Madlener (31) ist auch über 30, David Kickert (29) nicht mehr weit weg davon. Was dann kommt, das ist schlimm. Denn die jungen Talente, die wir hatten, haben den nächsten Schritt nicht machen können, weil sie nicht auf dem höchsten Niveau spielen konnten. Will man ein gutes Nationalteam, braucht man gute Torhüter, die haben wir jetzt noch, aber wir haben sie nicht mehr lange. Wenn man das auch in der Zukunft will, muss man was ändern, und wenn man das nicht ändern will, muss man sich nicht wundern, wenn man in zwei, drei Jahren auf dieser Position nicht mehr konkurrenzfähig ist.

Hat die Regel-Änderung in der Liga noch nicht das gebracht, was erhofft wurde?

Bader Mir ist klar, dass man nicht eine Radikallösung von 0 auf 100 machen kann. Aber ganz ehrlich, zehn Ausländer ist immer noch zu viel.

Mit welchem Ziel fahren Sie zur WM?

Bader Letztes Jahr haben wir den Platz wegen der Russen geschenkt bekommen. Wir wollten das nutzen und beweisen, dass wir dazugehören. Dieses Jahr wollen wir die erste österreichische Mannschaft seit 18 Jahren sein, die zweimal hintereinander den Klassenerhalt schafft. Das ist das Motto. Wenn es mit mehr Siegen geht, umso besser, wenn es wieder auf das letzte Spiel (gegen Ungarn) ankommt, dann müssen wir dafür bereit sein. Das ist das Ziel, alles andere ist Träumerei. Tschechien im Vorjahr (Sieg nach Penalty-Schießen) war ein Highlight, aber das kann man nicht jedes Jahr erwarten, so gut sind wir noch nicht. Aber wir machen stetig Fortschritte.

Zuletzt gab es meistens ein Duell um den Klassenerhalt, wird das heuer vielleicht ein Dreikampf mit Ungarn und Frankreich?

Bader Auf dem Papier schon, das kann man so sehen. Die Franzosen haben eine gute Mannschaft, aber sie sind sicher in unserer Reichweite. Ungarn ist vom Papier her wahrscheinlich die schwächste Mannschaft, aber man darf sie nicht unterschätzen, wir haben schon Erfahrung mit solchen Spielen gemacht. Wir nehmen es Spiel für Spiel, aber natürlich würde es viel helfen, wenn wir das erste Spiel gegen Frankreich gewinnen.

Welche Lehren kann man aus dem Vorjahr mitnehmen, kann man was kopieren?

Bader Dinge, die wir kopieren können, ist der Umstand, dass wir wieder sieben Spiele in zehn Tagen haben. Wir haben drei spielfreie Tage, das haben wir im Vorjahr sehr gut genutzt. Wir sind nicht aufs Eis gegangen, haben die Spieler bis 16 Uhr in Ruhe gelassen, dass sie runterkommen konnten. Das hat gut funktioniert.

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