Ein Grand Départ für die Topstars

Pogacar und Vingegaard kämpfen bereits heute in Bilbao um das Gelbe Trikot.
Bilbao Die ersten Etappen der Tour de France sind traditionell die Tage der Zeitfahrer, Sprinter und Glücksritter, die sich mit einem Coup überraschend kurzzeitig das Gelbe Trikot überstreifen wollen. Doch heuer ist alles anders. Spezialisten im Kampf gegen die Uhr müssen sich gedulden, Prolog gibt es bei der Tour 2023 ebenso wenig wie ein Zeitfahren in der ersten Woche. Erst am 18. Juli steht die einzige Prüfung gegen die Uhr auf dem Programm, mit 22,4 Kilometer fällt diese recht kurz aus. Klassische Sprinter wie Routinier Mark Cavendish müssen sich ebenfalls gedulden, ihre Chance kommt wohl erst am dritten Tag, wenn die Tour vom Spanischen Baskenland nach Frankreich zurückkehrt.
Der heutige Eröffnungstag gleicht einem Klassikerprofil mit extrem schwierigem Finale. Fünf Bergwertungen sind kategorisiert, zusätzlich präsentiert sich das Baskenland auf der 182 Kilometer langen Strecke rund um Bilbao von seiner hügeligen Seite. Zehn Kilometer vor dem Ziel warte die Côte de Pike auf das Fahrerfeld. Ein zwar nur zwei Kilometer langer Anstieg, aber mit einer Durchschnittssteigung von über 10 Prozent. Die letzten 500 Meter weisen sogar 15,6 Prozent auf. Der Berg erinnert an die Mur de Huy, den Schlussanstieg des Halbklassikers La Fléche Wallonne, den in diesem Jahr Tadej Pogacar überlegen für sich entschieden hat. Der zweifache Tour-Sieger ist mit seiner explosiven Art nicht nur einer der Favoriten auf den Gesamtsieg, sondern könnte sich gleich schon am ersten Tag das Gelbe Trikot schnappen. „Als ich die Route zum ersten Mal gesehen habe, war ich von der ersten Woche der Tour angetan, aber mit meiner Verletzung bin ich es jetzt ein bisschen weniger“, stapelt der Slowene mit einem Lächeln tief.
Sympathiebonus für Pogacar
Pogacar hat sich im April bei seinem Sturz in Belgien das Handgelenk gebrochen und hat noch mit den Nachwirkungen zu kämpfen, „zwei von drei Knochen sind verheilt, aber das Kahnbein braucht noch mehr Zeit.“ Bei der Fahrerpräsentation vor dem Guggenheim-Museum in Bilbao sammelte Pogacar Pluspunkte beim baskischen Publikum. Er trug die Baskenmütze und grüßte die Fans in deren Landessprache.
Sein Hauptkonkurrent Jonas Vingegaard wirkte deutlich fokussierter und setzte seine Sponsorenmütze nicht zugunsten der landestypischen Kopfbedeckung ab. „Ich gehe davon aus, dass Tadej von der ersten Etappe an attackieren wird. Und ich werde darauf vorbereitet sein“, sagte der dänische Titelverteidiger.
Die weiteren Kandidaten
Auf der ersten Etappe gibt es aber noch einige Kandidaten, die im Duell der Tourfavoriten mitmischen wollen und denen die Kürze des finalen Anstiegs zugute kommen könnte. Dass Vingegaards Teamkollege Wout van Aert solch ein Profil liegt, hat der Belgier unter anderem im Vorjahr bei der Tour bewiesen. Ob er aber genügend Freiheiten zur Attacke bekommen wird, bleibt ein Fragezeichen. Auch der niederländische Superstar Mathieu van der Poel kommt mit kurzen, explosiven Anstiegen gut zurecht. 2021 hatte er in ähnlichem Terrain schon mal das Gelbe Trikot erobert. Seine Außenseiterrolle will Doppelweltmeister Julian Alaphilippe nutzen. Der Franzose genießt bei seinem Team Soudal-Quick Step alle Freiheiten und will unbedingt nochmals ins Trikot des Gesamtführenden. VN-EMJ
