Reinbachers Reise geht rasant weiter

Sport / 10.08.2023 • 19:09 Uhr / 9 Minuten Lesezeit
David Reinbacher bei der A-WM im Mai im Spiel der Österreicher gegen Gastgeber Finnland.gepa/ap
David Reinbacher bei der A-WM im Mai im Spiel der Österreicher gegen Gastgeber Finnland.gepa/ap

Vorarlbergs 18-jähriges Eishockeytalent zieht in der nächsten Woche nach Montreal um.

Zürich Es war vor gut einem Jahr, als für David Reinbacher eine unglaubliche Erfolgsreise losging. Nach den ersten Vorbereitungstagen mit dem EHC Kloten war schnell klar: Der damals noch 17-jährige Lustenauer empfiehlt sich für einen Stammplatz in der Verteidigung des Schweizer Klubs der National League.

Ein Jahr später blickt Reinbacher auf zwölf Monate zurück, die sich für andere Sportler als Lebenswerk lesen: 49 Spiele für Kloten mit 24 Scorerpunkten, zwei Junioren-Elite-Weltmeisterschaften, eine A-WM, ein Trainingscamp in San Jose, den Combine der besten Nachwuchsspieler der Welt, den Draft in der National Hockey League, in der er von den Montreal Canadiens als Nummer fünf gezogen wurde, und ein erstes Trainingslager mit seinem künftigen Klub sowie die Ehrung zum besten Nachwuchsspieler der Schweizer Liga stehen im Palmarès. Ganz nebenbei erledigte er seinen Job bei einem Personalvermittler, bestand die Fahrprüfung und wurde von zwei Verletzungen und einer Infektion geplagt. „Stimmt. Es war ein turbulentes Jahr“, gewährt Reinbacher nach einem Training mit dem EHC Kloten einen speziellen Rückblick.

Voll in der Vorbereitung

Die überlange Saison ging erst letzte Woche mit der Ehrung des Schweizer Eishockeyverbandes in Solothurn zu Ende. In jener Woche, in der der Rechtsschütze wieder mit dem EHC Kloten die ersten Eis­einheiten absolvierte. Reinbacher trainiert nach dem Programm der Schweizer, allerdings in enger Absprache mit der Organisation der Canadiens. „Ich bin ganz normal bei allen Übungen dabei, habe den Fitnesstest gemacht, die Trainer reden sich zusammen.“ Die Schwerpunkte in der Vorbereitung liegen im Kraftbereich. „Da muss ich besser werden. Auch beim Spiel in der Offensivzone oder in der Schussqualität.“

Viel Augenmerk legt er auf das Dehnen. Vor der A-WM schlug ein Problem mit der Wachstumsfuge auf das Knie. „Man hat herausgefunden, dass sie noch offen ist, sie macht mir zu schaffen. Ich bin jetzt 1,89 Meter groß, ich werde voraussichtlich noch ein, zwei Zentimeter zulegen. Da ist es ein Gebot der Stunde, dass ich sehr viel stretchen muss.“ Dazu kam die letzte Knieverletzung bei der A-WM im Spiel gegen Schweden. „Ich habe mich schon auf dem Operationstisch gesehen. Es war Glück im Unglück. Mit einer Schiene und Schmerzen zu spielen, das war nicht so besonders. Aber wir haben den Klassenerhalt geschafft, das hat entschädigt.“ Auch die Anstrengungen des Drafts hatte seine Spuren hinterlassen, wegen eines Infekts war Anfang Juli eine zweitägige Pause nötig.

Chefscout oder Besitzer?

Den Wechsel an der Bande bei den Klotenern von Jeff Tomlinson, der aus gesundheitlichen Gründen ins zweite Glied rückte, zu Larry Mitchell ist für Reinbacher gut gelungen: „Natürlich ist jeder Coach anders. Fleming spricht sehr gerne mit den Spielern, holt sich immer wieder einmal in der Früh einen zum Einzelgespräch.“ Mitchell bezieht sein Talent auch bei den Vorbereitungsspielen ein: Heute in Kloten gegen den DEL-Klub Schwenningen und am Dienstag in Weinfelden gegen den HC Thurgau steht Reinbacher in der Aufstellung.

Wann wurde Reinbacher erstmals bewusst, dass er als einer der Toptalente beim Draft in Nashville gezogen werden könnte? „Das war am Vorabend der Ziehung. Die Montreal Canadiens baten mich zu einem Gespräch. Da wurden mir alle wichtigen Personen der Organisation vorgestellt, darunter auch ein sogenannter Chefscout. Dabei haben dann alle geschmunzelt, der Chefscout stellte sich dann als Geoff Molson, Besitzer der Canadiens vor. Nach einem gemeinsamen Essen habe ich das Hotel mit einem guten Gefühl verlassen. Andererseits habe ich mir gedacht: ,Lass das Gefühl liegen, es sind da so viele gute andere Spieler im Draft.‘ Mit meinem Papa und den Beratern habe ich dann noch die Situationen durchgespielt. Wir wussten, dass Nashville (Anm.: kam erst als Nummer 15 dran) bereit war, sich für mich in der Ziehung sogar hinauf zu handeln, Philadelphia wollte mich eigentlich am meisten und auch Arizona war immer eine Option.“

Erstmals im Privatjet unterwegs

Vom Draft selber bleibt das Hoppala von Carey Price in Erinnerung, dem Star-Torhüter war nach der Nennung von „David“ der Nachname entfallen. „Ich war nach den Vorgesprächen mit einem guten Bauchgefühl in den Abend gegangen. Dann wurde ich sehr schnell für die Videoübertagung verkabelt und habe gedacht, jetzt wird es spannend. Natürlich war es eine Überraschung, als ich als Nummer fünf aufgerufen wurde. Auch als nach dem Namen David plötzlich eine Pause war und keiner wusste, wie es weitergeht. Als dann mein Name fiel, konnte ich es zuerst gar nicht glauben, die Freude war riesig.“ Den Rückflug nach Montreal durfte Reinbacher in einem der Privatjets der Familie Molson, die in Kanada ein Bierdynastie aufgebaut hat, genießen. „Es ist schon etwas Einzigartiges, in meinem Alter in einem Privatjet zu sitzen, das ist eine andere Welt.“

„Werde versuchen, ich zu sein“

Die Nominierung zum besten Nachwuchsspieler der Schweizer National League in der vergangenen Woche war für Reinbacher ein weiterer Höhepunkt der Saison. „Die Ehrung bedeutet mit sehr viel. Es ist immer cool, so eine individuelle Auszeichnung zu gewinnen. Es gibt dir einen Rückblick auf die Saison und was du geleistet hast. Schlussendlich macht es aber auch Druck. Du bist der ,Youngster of the Year‘, du musst beweisen, dass du es verdient hast.“ Am Galaabend ergab sich die Gelegenheit, sich mit anderen NHL-Spielern auszutauschen. „Ich habe mich mit Jonas Siegenthaler und Nico Hischier unterhalten. Sie spielen bei den New Jersey Devils, und offenbar werden wir uns im ersten NHL-Testspiel gegenüberstehen.“

Am 20. August geht es für Reinbacher zurück nach Montreal. „Ich habe drei Wochen Zeit, um mich einzuleben. Am 12. September geht es mit dem Rookie-Camp los, dann folgt die Vorbereitung mit der NHL-Mannschaft der Canadiens. Als Europäer hat du es immer ein wenig schwieriger, die Nordamerikaner halten zusammen. Du musst dich doppelt beweisen. Der Draft bedeutet ja eigentlich noch nichts. Ziel ist es, ein gutes Rookie-Jahr zu machen. Ich werde weiterhin versuchen, ich zu sein. Wenn es diese Saison nicht reicht, muss ich dann beim EHC Kloten härter arbeiten, versuchen, mich weiter zu entwickeln, damit es im zweiten Jahr klappt.“ Ein gewisser Druck sei da, „schließlich bist die die Nummer fünf der Talentewertung, da solltest du etwas zeigen“. In der School of Sports in Zürich bleiben noch die eine oder andere Prüfung offen, seinen Bürojob in Zürich erledigt er weiter. „Ich konzentriere mich sonst voll auf das Eishockey. Mein Ziel ist es, eines Tages den Stanley Cup zu gewinnen.“

Ein letztes Wochenende

Das letzte Wochenende vor der Überseereise wird Reinbacher bei der Familie in Lustenau verbringen. „Das bedeutet mir sehr viel.“ In Montreal könnte er vorerst bei einer Gastfamilie unterkommen, „das klären wir derzeit ab.“ Vater Harald möchte er für einige Zeit als Unterstützung in Kanada haben. Ob auch Freundin Celine mitkommt, ist noch offen. Genauso wie der Ort, an dem Davids 19. Geburtstag am 25. Oktober gefeiert wird. „Schauen wir einmal. Wenn es in Kanada sein sollte, möchte ich, dass die Familie dabei ist.“ Sicher ist: Reinbachers Reise geht rasant weiter.

„Der Draft bedeutet ja eigentlich noch nichts. Ziel ist es, ein gutes Rookie-Jahr zu machen.“

Ein besonderer Moment: Überziehen des Canadiens-Dresses.
Ein besonderer Moment: Überziehen des Canadiens-Dresses.
David Reinbacher nahm sich viel Zeit für das VN-Gespräch.
David Reinbacher nahm sich viel Zeit für das VN-Gespräch.
David Reinbacher am Parkplatz vor der Heimarena des EHC Kloten mit der Auszeichnung als „Youngster of the year“ in der Schweizer National League.Kofler
David Reinbacher am Parkplatz vor der Heimarena des EHC Kloten mit der Auszeichnung als „Youngster of the year“ in der Schweizer National League.Kofler