Deshalb nutzen nicht alle Sportler die „IBIY“-Plattform

Sport / 15.09.2023 • 17:10 Uhr / 10 Minuten Lesezeit
ÖOC-Generalsekretär Peter Mennel (links) und ÖOC-Präsident Karl Stoss weisen alle Anschuldigungen zurück. <span class="copyright">gepa</span>
ÖOC-Generalsekretär Peter Mennel (links) und ÖOC-Präsident Karl Stoss weisen alle Anschuldigungen zurück. gepa

Das ÖOC reagierte nach den Berichten über eine Strafanzeige gegen das Präsidium und Generalsekretär Peter Mennel mit dem Inhalt des Vorwurfs der schweren Untreue bzw. Beihilfe mit einer Aussendung. In dieser werden die Vorwürfe von Karl Stoss und dessen Vize als völlig haltlos bezeichnet.

Schwarzach Die Anzeige war bei der Staatsanwaltschaft Wien vom Wiener Rechtsanwalt Volkert Sackmann stellvertretend für ordentliche Mitglieder des Österreichischen Olympischen Comitees (ÖOC), also Sportverbände mit Sitz in der ÖOC-Hauptversammlung, eingebracht worden. Sie sehen sich durch Mennel und das Präsidium „geschädigt“. Im Zentrum der Causa steht die vor mehr als acht Jahren gegründete Crowdfunding-Plattform „I believe in you“. Bilanzverluste der Plattform sollen mit Vereinsvermögen des ÖOC abgedeckt worden sein.

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So sollen die ÖOC-Mitglieder um 416.000 Euro geschädigt worden sein. Das Gremium habe laut den Berichten zu den „strafbaren Taten des Dr. Mennel beigetragen, indem es dieser Vorgangsweise zustimmte, obwohl die Mitglieder des Präsidiums wussten, dass für eine solche Entscheidung das Gremium der Hauptversammlung zuständig ist“. Mennel ließ am Donnerstag über seinen Anwalt ausrichten, „er kenne die Sachverhaltsdarstellung nicht und weise alle Vorwürfe zurück“. Persönlich will er dazu – vorerst – keine Stellung beziehen.

Sportminister und Vizekanzler Werner Kogler sieht das ÖOC in der Pflicht. <span class="copyright">gepa</span>
Sportminister und Vizekanzler Werner Kogler sieht das ÖOC in der Pflicht. gepa

Sportminister Werner Kogler fordert lückenlose Aufklärung

Eine VN-Anfrage bei Sportminister und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) beantworteten dessen Mitarbeiter so: „Das Sportministerium erwartet von den Verantwortlichen im Österreichischen Olympischen Comité, dass die im Zuge der Strafanzeige vorgebrachten Vorwürfe rasch und lückenlos aufgeklärt werden.“ Der zweite Satz beinhaltet auch den indirekten Hinweis, dass das Steuergeld, das das als Verein gemeldete ÖOC vom Sportministerium erhält, zweckgebunden für die Sportförderung ist: „Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass das ÖOC seine ursächlichen Aufgaben, die österreichischen Athletinnen und Athleten auf Olympische Spiele vorzubereiten und diese vor Ort bestmöglich zu betreuen, auch weiterhin vollumfänglich erfüllen kann.“

Was bedeutet „I believe in you“ (IBIY)?

Es handelt sich dabei um eine Crowdfunding-Plattform für den österreichischen Sport, nicht allein die olympischen Sportarten betreffend. Diese wurde Ende 2014 mit einem Investment von rund 600.000 Euro auf Initiative des ÖOC und der Sporthilfe eingeführt und umgesetzt. Seither waren mehr als 440 Sportler:innen oder Vereine dank dieser Möglichkeit, finanzielle Unterstützer:innen für ihre Projekte zu finden, erfolgreich. Mehr als zwei Millionen Euro flossen dadurch in den rot-weiß-roten Sport.

Bei IBIY handelt es sich um privates Geschäftsmodell aus der Schweiz, welches Gewinne erwirtschaftet. Dies passierte laut ÖOC-Darstellung seit 2019, als neben der direkten Unterstützung der Sportler:innen auch Gewinne erwirtschaftet wurden. Der Vorwurf nun: Das ÖOC habe demnach den Gesamtverlust von „I believe in you“ (IBIY) in der Höhe von 624.000 Euro zur Gänze übernommen, obwohl das Komitee bis Mitte 2023 nur einer von drei Gesellschaftern neben der Schweizer IBIY-Gesellschaft und der Sporthilfe war. 

Fragen über Fragen

Von diesen wiegt gemäß Sackmann am schwersten, dass Mennel im Alleingang gehandelt und die ÖOC-Mitglieder über die Übernahme der Verluste nicht informiert habe. Das würde aus Sitzungsprotokollen hervorgehen. “Warum verschweige ich was? Wenn das so ein großartiges Projekt ist, dann binde ich doch meine Mitglieder ein”, sagte Sackmann der Austria Presse Agentur. Es könne “nicht Hauptaufgabe des ÖOC sein, marode Gesellschaften mit Kapital aufzufüllen. Ich glaube nicht, dass die Mitglieder dem zustimmen würden”, führte der Anwalt weiter aus.

Insgesamt soll “I believe in you” 624.000 Euro Schulden angehäuft haben. “Da verschwindet Geld, und keiner weiß warum”, sagte Sackmann. Er frage sich grundsätzlich, “wie man mit einer Homepage überhaupt 600.000 Euro Verlust einfahren kann, wenn diese 12 Prozent von dem eingesammelten Geld erhält. Es wurde mit Personalkosten argumentiert – alles schön und gut. Das hilft nur den Athletinnen des ÖOC nichts.” In der kommenden Woche würden seine Klienten Einsicht in die Bücher bekommen. Das sei vom ÖOC zugesichert worden.

2014 nutzte Eva Pinkelnig die IBIY-Plattform, 2023 gewann sie die große Kristallkugel. <span class="copyright">gepa</span>
2014 nutzte Eva Pinkelnig die IBIY-Plattform, 2023 gewann sie die große Kristallkugel. gepa

Diese Vorarlberger Sportler:innen nutzten die Plattform

Eine der Ersten war Eva Pinkelnig im Jahre 2014. Die 35-jährige Skispringerin, aktuell Weltcupsiegerin, hatte für ihr Projekt unter dem Titel „Der Traum vom Fliegen“ 6020 Euro generiert. Die vierfache Vizeweltmeisterin finanzierte sich mit dem Geld Trainings, Physio- und Materialtestkosten – und erfüllte sich in letzter Konsequenz den Traum vom Skifliegen.

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Bei Marco Rossi lautete das Projekt „Mit eurer Hilfe in die NHL“. 15.000 Euro konnte der Minnesota-Spieler 2018 dafür sammeln. Finanziert hat sich der 21-Jährige damit Spezialtrainingseinheiten und Trainingslager bei internationalen Experten.

Lukas Mähr (links) und Lara Vadlau nutzen aktuell die Plattform ...
Lukas Mähr (links) und Lara Vadlau nutzen aktuell die Plattform ...

Aktuell nutzt auch Segler Lukas Mähr (33) die Crowdfunding-Plattform. Der Vorschoter und seine Steuerfrau Lara Vadlau hoffen für ihr Projekt „Olympia-Kampagne für Paris 2024“ auf 10.500 Euro. Das für die Olympischen Sommerspiele qualifizierte 470er-Duo benötigt ein neues Boot und will für die Gesamtkosten von rund 100.000 Euro für die Olympiavorbereitung mit den IBIY-Einnahmen einen Teil der Kosten abdecken.

... unter anderem zur Finanzierung eines neues Bootes. <span class="copyright">apa</span>
... unter anderem zur Finanzierung eines neues Bootes. apa

Bewusster Verzicht auf die ÖOC-Plattform

Rollstuhltennisspieler Thomas Flax hat sich für sein Projekt „Road to Tokio“ bewusst gegen die IBIY- und für die Raiba-Crowdfunding-Plattform entschieden. „Es waren die Konditionen. Ich wollte nicht, dass mehr als zehn Prozent des Geldes abfließen“, erinnert sich der 40-Jährige an den Herbst 2018. „Schon 2015 bin ich von Yvonne Meusburger (Anm. d. Red.: ehemalige Profi-Tennisspielerin aus Schwarzach) auf die IBIY-Plattform angesprochen worden. 2018 hat schließlich Rastislav Pomsahar (Anm. d. Red.: damals Leitung Förderwesen, Sport & Karriere/Sporthilfe) den Kontakt hergestellt.“ Das Projekt von Flax war auf 12.000 Euro dotiert. „Als ich mich entschieden habe, die Qualifikation für die Paralympics in Tokio zu spielen, wusste ich, dass ich einen neuen Sportrollstuhl benötige und auch noch Geld für die Reisen.“ Bei der Raiba seien für ihn dann die Konditionen weitaus besser gewesen, „zudem war es keine reine Sportplattform, sondern eine Plattform mit regionalen Projekten aller Art. Das schien mir schlussendlich dann doch das bessere Umfeld zu sein.“

Rollstuhltennisspieler Thomas Flax benötigte für seinen Traum von den Paralympics in Tokio ...
Rollstuhltennisspieler Thomas Flax benötigte für seinen Traum von den Paralympics in Tokio ...
... einen neuen Sportrollstuhl. <span class="copyright">apa/2</span>
... einen neuen Sportrollstuhl. apa/2

Ein klares Statement

Der ehemalige ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel sieht in der Anonymität der Anzeige klar den Versuch, die Wahl des neuen ÖOC-Präsidiums am 22. September zu beeinflussen. „Wir werden uns das nicht gefallen lassen“, poltert der 82-jährige aktuelle ÖOC-Vize. Im neuen Wahlvorschlag ist sein Name nicht mehr zu finden. Schröcksnadel will sich „eine gute Sache nicht schlecht reden lassen“. Man habe eine Plattform geschaffen, über die Athlet:innen finanzielle Mitteln erhalten, die sonst für sie schwer zu lukrieren seien. Sein Appell ist klar und deutlich: „Wir werden uns dieser Rufmordkampagne nicht beugen.“

ÖOC-Vize Peter Schröcksnadel und seine Präsidiumsmitglieder sprechen von einer „Schmutzkübelkampagne“. <span class="copyright">gepa</span>
ÖOC-Vize Peter Schröcksnadel und seine Präsidiumsmitglieder sprechen von einer „Schmutzkübelkampagne“. gepa

Schon im Juni war das ÖOC in den Schlagzeilen gewesen. Der eingebrachte Wahlvorschlag für ein neues ÖOC-Präsidium war von den Mitgliedern mehrheitlich abgelehnt worden, erst diesen Mittwoch wurde ein neuer Wahlvorschlag veröffentlicht. Dieser soll nun am 22. September zur Abstimmung kommen. Für das Präsidium kandidieren demnach wieder Stoss und Elisabeth Max-Theurer (Pferdesport), zudem Markus Prock (Rodeln) und Sonja Spendelhofer (Leichtathletik).

Diese Hauptversammlung tritt nun aufgrund der Neuentwicklung aktuell in den Hintergrund. In der ÖOC-Aussendung wird der zeitliche Zusammenhang thematisiert. „Diese Schmutzkübelkampagne wurde nicht zufällig unmittelbar nach der Bekanntgabe des Wahlvorschlags durch den Wahlausschuss lanciert. Hier sollen demokratische Prozesse mit Gewalt ausgehebelt werden“, wird von Stoss und Co vermutet. „Die erhobenen Vorwürfe entbehren, wie leicht aufzuklären ist, jeglicher Grundlage“, heißt es weiter. Die Sachverhaltsdarstellung läge dem ÖOC allerdings noch nicht vor.

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Dass nächsten Freitag tatsächlich gewählt wird, kann sich ÖOC-Mitglied Hermann Krist nicht vorstellen. “Sicher nicht”, sagte der ASKÖ-Präsident zur Tageszeitung Der Standard. “Ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen. Und schon gar nicht kann ich mir vorstellen, dass Stoss die erforderliche Zweidrittelmehrheit kriegt.” Krist selbst wird jedenfalls nicht dafür stimmen. “Bei all den offenen Fragen müsste ich einen Vogel haben, wenn ich mit meiner Stimme den alten Vorstand entlaste und dann noch dafür sorge, dass der Präsident eine weitere Amtszeit erhält. Würde ich das tun, könnte man mir Fahrlässigkeit vorwerfen”, sagte Krist.