Abenteuer Abfahrt

Sport / 07.11.2023 • 19:30 Uhr / 3 Minuten Lesezeit
Abenteuer Abfahrt

Nach einem überraschend positiven Saisonauftakt in Sölden steigt in der Westschweiz das nächste Ski-Highlight.

Die Abfahrtsstrecke in Zermatt ist ein Novum und ein riskantes Experiment. Weil sehr hoch gelegen, sehr schnell und sehr lang – das fordert jeden Abfahrer. Vor allem diejenigen, die das erste Mal in diese Disziplin hineinschnuppern. Wie unser Johannes Strolz! Der Olympiasieger, Weltcupsieger und seines Zeichens Slalomspezialist, möchte den großen Schritt wagen. Er ist dabei lange nicht der Erste, der als Slalomspezialist in die Abfahrt wechselt und dort auch erfolgreich war. Das gelang vor ihm schon einem Günther Mader, einem Rainer Schönfelder und kürzlich einem Marco Schwarz. Der Wechsel von Zickzack zu Speed scheint leichter, als umgekehrt. Trotzdem stellt es ein enormes Risiko dar.
Als ich mich 1983 entschied, in die Abfahrt zu gehen, fand ich das überaus cool. Mit 19 Jahren die Streif zu bewältigen, mit höchstem Risiko und null Erfahrung, steigerte mein Selbstvertrauen unheimlich. Das bezahlte ich nur sechs Wochen später bitter mit einem fürchterlichen Sturz, der mich fast meine Karriere kostete. Mit 31 Jahren ist Johannes Strolz wesentlich erfahrener als ich damals. Doch egal, wie gut er auf dem Ski steht, er muss bereit sein, bei 140 km/h in der Hocke zu bleiben. Er muss bereit dafür sein, mit vollem Risiko über 60 Meter weite Sprünge zu springen. Er muss bereit sein, sich unmenschlich hohen Fliehkräften in steilen und eisigen Kurven entgegenzustemmen. Die körperliche Kraft dafür hat er sicher, aber der Kopf muss auch mitspielen.
Man kann das als Zuschauer am TV gut mitverfolgen, ob ein Athlet bereit ist, alles zu geben oder ob er nur sicher ins Ziel kommen möchte. Die Staubwolken vor den Toren sind dann größer, was ein Eindriften in die Kurve signalisiert. Oder die Skier rutschen und sind unruhig, wo die schnellen Leute wie auf Schienen carven. Das ist in allen Disziplinen zu beobachten und ganz klar eine Bremsmethode. In der Abfahrt ist man komischerweise am sichersten unterwegs, wenn man voll fährt. Nur so funktionieren die Reflexe richtig und man steht immer zentral auf dem Ski. Hat man Angst, hängt man meistens hinten und verliert dadurch die Kontrolle über die Skier. Bei einem Ausfall im Slalom oder Riesenslalom passiert meist nichts. In der Abfahrt kann das, wie in meinem Fall vor 41 Jahren, schreckliche Konsequenzen haben.
Johannes wünsche ich an dieser Stelle eine erfolgreiche Premiere in der Abfahrt und noch eines: Ich bin überzeugt, dass er hier bald an die tollen Resultate der Olympiasaison anknüpfen wird.