Die Fußballakademie und das Schweigen des Landes

Die Fußballakademie Vorarlberg kostet viel, hat zu wenig Infrastruktur und bald vielleicht keinen Leiter mehr.
Hohenems Für die laufende Saison Fußballakademie Mehrerau schießt der Vorarlberger Fußballverband eine niedere, sechsstellige Summe im Budget von rund 1,1 Millionen Euro bei. Es ist eine Summe, die für den Verband längst zur Belastungsgrenze geworden ist. Der Sparkurs ist sicht- und spürbar: So verzichten die Spieler bei Auswärtsfahrten auf Lunchpakete. Das wirkt kleinlich, ist aber ein Symbol dafür, wie eng der Gürtel inzwischen geschnallt werden muss. Und das bei einer Einrichtung, die das Fundament der Vorarlberger Fußballzukunft ist.
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Über all die Probleme, aber auch über seine Zukunftsvorstellung und die Personalie Didi Berchtold sprach VFV-Präsident Alfons Kirchmann mit den VN. “Die Akademie hat nicht einmal ein eigenes Heimstadion. Woche für Woche zieht der Tross durchs Land, auf der Suche nach einem Platz, der zur Verfügung steht. Nicht falsch verstehen, wir gehen gerne hinaus zu den Vereinen”, so der 60-Jährige, “aber wir brauchen eine Heimstätte.” Ein Satz, der so selbstverständlich klingt und doch seit 22 Jahren, seit der Eröffnung der Trainingsstätte in Kooperation mit dem Collegium Bernardi, unerfüllt ist.

Der “schräge Tausender”
Was Kirchmann in seiner bisherigen Amtszeit am meisten irritiert, ist jedoch etwas anderes: “Niemand ist stolz auf die Akademie.” Ein Satz, der hängen bleibt. Nicht nur, weil er stimmt, sondern weil er schmerzt. Die Akademie bildet nicht nur spätere Bundesligaprofis aus. Sie versorgt auch Hunderte Amateurvereine mit Spielern, die früh professionelle Strukturen erleben. Die Wertschöpfung ist enorm, die emotionale Bindung gering. Genau das will Kirchmann ändern: “Wenn wir schon so viel Geld in die Hand nehmen, dann müssen wir darauf auch stolz sein.”

Deshalb hat er seinen “schrägen Tausender” erfunden, eine Art Beteiligung aller Amateurklubs – von 1300 Euro in der Regionalliga bis 500 in der letzten Landesklasse. Selbstironisch nennt er die Aktion “den besten Blödsinn, der mir bisher eingefallen ist”. Tatsache ist: “Die Summe kam zusammen.” “Ich habe die Summe zusammengebracht, die ich mir vorgenommen habe.” Und: Die Dialoge bei vier Regionssitzungen, in denen auch Ex-Akademiespieler wie Benedikt Zech, Lukas Jäger und Lars Nussbaumer teilnahmen, haben ein Bewusstsein geschaffen, das es so lange nicht gab. Mit dem Versprechen, dass er (Kirchmann) das Geld erst dann einhebe, wenn alle anderen Faktoren auch passen. Und er hat den Selbstbehalt für einen Spieler (600 Euro) in der Akademie wieder eingeführt. Getreu dem Motto: Was nichts kostet, ist auch nichts wert.
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Mehrerau platzt aus allen Nähten
Wichtig ist Kirchmann, dass die Akademie nicht als “graue Maus” wahrgenommen wird. Er weiß aber auch: Das System benötigt eine Generalerneuerung. Die Trainingsstätte in der Mehrerau stammt aus 2003 und platzt inzwischen aus allen Nähten. Als Trainingsort ist sie für ihn weiterhin denkbar, aber: “Eine Akademie ist ein Profibetrieb.” Und dieser gehöre, so seine klare Linie, in die Hände eines Profiklubs, immer in Kooperation mit dem Verband, verbunden mit der Sicherheit, dass die Spieler weiterhin den Stammvereinen gehören.

Mit Altach, Lustenau und Bregenz hat er deshalb gesprochen. Alle drei Vereine reagierten offen. Doch die Realität ist schlicht: Bregenz kann nicht, Lustenau plant noch seine neuen Trainingsstätten, Altach wäre wohl am ehesten bereit. Zwei Jahre gibt sich Kirchmann Zeit, danach soll die Neuorganisation stehen. Bis dahin wird viel Überzeugungsarbeit nötig sein. Und noch mehr: finanzielle Planungssicherheit.

Die Mehrerau soll dabei keinesfalls verloren gehen. Mädchenfußball, LAZ, Förderkader – all das sieht Kirchmann weiterhin dort. Voraussetzung: eine umfassende Sanierung. Ein großes Wort in Zeiten knapper Mittel, aber ein notwendiges.

Veränderung an der Führungsspitze
Und dann ist da noch die Personalie Dietmar “Didi” Berchtold. Der Akademieleiter, seit 2018 im Amt, ist müde geworden. Er möchte die Führung abgeben, wie er dem Präsidenten in einem persönlichen Gespräch offenbarte. Damit droht der Einrichtung, die gerade jetzt Stabilität braucht, ein schmerzlicher Aderlass. Kirchmann sagt deshalb: “Ich möchte Didi nicht verlieren.” In welcher Funktion der 51-Jährige bleiben will oder kann, ist noch offen. Klar ist nur: Die Akademie steht in jedem Fall an einem Scheideweg – und damit auch die Basis für den Spitzenfußball in Vorarlberg. Denn eines ist sich nicht nur Kirchmann gewiss: Ein Aus für die Akademie würde den Fußball im Ländle um Jahre zurückwerfen. Zumal sich selbst das Burgenland, ein Bundesland ohne Profiverein, eine Akademie als Ausbildungsstätte für Fußballer leistet.
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Vielleicht ist die Arbeit in der Akademie seit der Übernahme durch den Verband zur Selbstverständlichkeit geworden. Doch nun braucht es mehr als ein klares Bekenntnis, es braucht ein professionelles Umfeld mit einer adäquaten Infrastruktur und den Mut, die Akademie-Zukunft neu zu denken.
