Berichte von Triage in Sachsen

Der harte Lockdown in Deutschland beginnt mit Horrormeldungen aus dem Landkreis Görlitz.
Zittau/Berlin – Am Tag, als Deutschland in den zweiten Lockdown geht und einen traurigen Höchstwert von 952 Corona-Toten meldet, wird in Sachsen ein Schreckenswort laut: Triage. Berichten zufolge hat ein Mediziner aus Zittau am Dienstagabend in einem Online-Forum davon gesprochen, dass am Klinikum Oberlausitzer Bergland schon mehrfach triagiert werden musste, weil nicht genügend Beatmungsbetten zur Verfügung stehen. Triage bedeutet, dass Ärzte bei knappen Ressourcen entscheiden müssen, wem sie zuerst helfen. Die Klinik bestätigt oder dementiert die Schilderungen des Arztes am Mittwoch nicht ausdrücklich. Stattdessen betont sie: Die Lage ist kritisch.
Dem Nachrichtenportal t-online hatte der Ärztliche Direktor des Klinikum, Mathias Mengel, gesagt: „Wir waren in den vergangenen Tagen schon mehrere Male in der Situation, dass wir entscheiden mussten, wer Sauerstoff bekommt und wer nicht.“ Es werde versucht, die Patienten, für die es keine Versorgung gibt, in eine andere Klinik zu verlegen. „Aber wir sind im Epizentrum, manche Häuser nehmen gar nicht mehr auf.“ Die Entscheidung könne auch bedeuten, dass es für einen nicht verlegungsfähigen Patienten dann keine entsprechende Hilfe mehr gebe.
Der Landkreis Görlitz, in dem Zittau liegt, ist einer der Corona-Hotspots in Deutschland. Das sächsische Gesundheitsministerium beziffert die Sieben-Tages-Inzidenz, also den Wert an Neuerkrankungen je 100 000 Einwohner binnen einer Woche, am Mittwoch auf 532,6. In ganz Sachsen sind es 407,0, was mehr als doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt ist. Ministerin Petra Köpping (SPD) versteht die Äußerungen des Arztes als Warnruf: Man habe in Zittau einen „Weckruf“ gestartet, die Verantwortlichen wollten zeigen: „Wir wissen bald nicht mehr, wie wir die Patienten versorgen sollen“, erklärt die SPD-Politikerin.
Aber Triage in Sachsen? Es werden Erinnerungen an das Frühjahr wach, als im italienischen Bergamo die Kliniken über ihre Belastungsgrenzen gerieten und Corona-Patienten nicht mehr helfen konnten. Auch Sachsen nahm damals Patienten aus Italien auf, um das Land zu unterstützen.
In Deutschland ist die Triage umstritten. „Das liegt vor allem daran, dass sie gesetzlich nicht geregelt ist“, sagt Medizinethiker Dieter Birnbacher. Seiner Meinung nach sollten Triage-Entscheidungen auf zwei Kriterien beruhen: „Erstens muss ein gleicher Zugang für alle gelten, unabhängig vom Alter. Aber auch die klinische Erfolgsaussicht einer Behandlung muss berücksichtigt werden“. Patienten, deren Erfolgsaussichten gering seien, würden also benachteiligt behandelt. DPA