Boris Johnson laut Medien vor Rücktritt – Rede angekündigt

07.07.2022 • 11:21 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Boris Johnson laut Medien vor Rücktritt - Rede angekündigt

In Großbritannien zeichnet sich nun doch ein Rückzug von Premierminister Boris Johnson ab. Nach einer offenen Revolte gegen ihn tritt Johnson laut Medienberichten noch am Donnerstag als Parteichef der Konservativen zurück. Er wolle aber bis Herbst Regierungschef bleiben, meldete der britische Sender BBC. Ein Regierungssprecher kündigte noch für Donnerstag eine Ansprache des Premiers an die Nation an. Oppositionsführer Keir Starmer forderte Neuwahlen.

Kurz zuvor war Johnson auch von Finanzminister Nadhim Zahawi zum Rücktritt aufgefordert worden. Zahawi selbst war weniger als 48 Stunden zuvor von Johnson zum Finanzminister ernannt worden, nachdem der bisherige Ressortchef Rishi Sunak aus Protest gegen den Premier zurückgetreten war. Wie Sunak quittierten inzwischen mehr als 50 Personen aus Johnsons Team den Dienst – darunter mehrere Minister. Johnson lehnte einen Rücktritt bisher vehement ab.

“Boris Johnson wird als Chef der Konservativen Partei im Laufe des Tages zurücktreten”, so der BBC-Politikredakteur Chris Mason. Auch in anderen Medien hieß es, Johnson werde sich nach dem Exodus in seinem Regierungsapparat dem Unausweichlichen beugen. Rücktrittsankündigungen gingen zuletzt praktisch im Minutentakt ein. Ohne seine Mitarbeiter erschien der schon länger isolierte Johnson zunehmend machtlos.

“Sie müssen das Richtige tun und jetzt gehen”, schrieb Finanzminister Zahawi auf Twitter. “Das ist nicht tragbar, und es wird nur noch schlimmer werden, für Sie, für die Konservative Partei und vor allem für das ganze Land.” Er habe Johnson am Mittwochabend in seinem Amtssitz gebeten, mit Würde zu gehen. “Es bricht mir das Herz, dass er nicht zugehört hat.” Das Land verdiene eine Regierung, die nicht nur stabil, sondern auch integer sei. “Herr Premierminister, in Ihrem Herzen wissen Sie was zu tun ist, gehen Sie jetzt.” Von einem eigenen Rücktritt war bei Zahawi nicht die Rede. Er wird wie eine Reihe anderer amtierender und früherer Minister als potenzieller Nachfolger Johnsons gehandelt.

Oppositionschef Starmer sprach mit Blick auf Johnsons angekündigten Rücktritt als Parteichef der Konservativen von einer “guten Nachricht”. Was das Land jetzt brauche, sei aber “kein Wechsel an der Spitze der Tories. Wir brauchen einen echten Regierungswechsel”, forderte der Labour-Politiker.

Johnson war 2019 Chef der Konservativen und damit Premierminister geworden. Die anfängliche Popularität des ehemaligen Journalisten und Bürgermeisters von London wurde jedoch bald geschmälert durch Kritik an seinem betont kämpferischen und von Gegnern oft als chaotisch empfundenen Regierungsstil. Immer wieder wurden Rücktrittsforderungen laut. Das Fass zum Überlaufen brachte zuletzt sein Umgang mit der Affäre um einen konservativen Abgeordneten, dem sexuelles Fehlverhalten vorgeworfen wird. Johnson hatte sich im Fernsehen dafür entschuldigt, dass die Öffentlichkeit über seinen Wissensstand in dem Fall falsch informiert worden sei.

Die Affäre gehört zu einer langen Reihe von Skandalen und Fehltritten, die im Falle von Partys während des Corona-Lockdowns für Johnson zu einer Geldstrafe und einem Misstrauensantrag seiner eigenen Fraktion führten. Die Vertrauensabstimmung überstand Johnson Anfang Juni. Am Mittwoch wurde unter den Konservativen über Wege diskutiert, ein nun eigentlich vorerst ausgeschlossenes Misstrauensvotum doch einleiten zu können.

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