Ende der Getreideblockade: Erstes Schiff verlässt Odessa

Erstmals seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat wieder ein Schiff mit Getreide den Hafen von Odessa verlassen.
Ankara, Kiew, Moskau Das mit Mais beladene Frachtschiff “Razoni” sei Montag früh in Richtung Libanon aufgebrochen, meldete der Sender CNN Türk unter Berufung auf das türkische Verteidigungsministerium. In der Region Odessa liegen alle drei Häfen, über die infolge eines kürzlich erzielten Abkommens wieder Getreide über das Schwarze Meer exportiert werden soll. Seit Kriegsbeginn vor mehr als fünf Monaten ist das südukrainische Gebiet immer wieder Ziel russischer Angriffe gewesen.
Die Ukraine hat Russland Raketenangriffe auf die Schwarzmeer-Region Odessa vorgeworfen. Der Stadtrat von Odessa teilte am Sonntag unter Berufung auf das Kommando Süd der ukrainischen Armee mit, zwei russische Raketen vom Typ “Iskander” seien von der Halbinsel Krim aus abgeschossen worden. Laut der Gebietsverwaltung schlugen die Geschosse in einem Steinbruch ein. Zu möglichen Opfern wurden keine Angaben gemacht.

Aus Moskau gab es zunächst keine offizielle Reaktion auf die Vorwürfe. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden. Zuvor waren auf der seit 2014 von Russland annektierten Krim Feierlichkeiten zum “Tag der Marine” abgesagt worden – unter Verweis auf einen angeblichen Drohnen-Angriff der Ukrainer. Die ukrainische Marine hingegen dementierte das und teilte mit, die Russen hätten den Vorfall “erfunden”. Sie hätten die Parade vielmehr aus Furcht von Angriffen abgesagt.
Neue Marine-Doktrin: Flotte soll aktiver werden
Kremlchef Wladimir Putin setzte zum “Tag der Marine” eine neue Militärdoktrin für die russische Kriegsmarine in Kraft. Dort seien auch Russlands Seegrenzen, darunter in der Arktis und im Schwarzen Meer, festgelegt worden. “Den Schutz werden wir hart und mit allen Mitteln gewährleisten”, betonte er bei einer Parade mit Kriegsschiffen am Sonntag in seiner Heimatstadt St. Petersburg.
In der neuen Doktrin wurde festgeschrieben, dass das Streben der USA nach Dominanz auf den Weltmeeren eine “Herausforderung für die nationale Sicherheit Russlands” sei, wie die russische Nachrichtenagentur Interfax meldete. Verhindert werden soll demnach, dass die USA den Zugang Russlands zu Bodenschätzen auf dem Meeresgrund der Weltozeane einschränken können – oder auch Schifffahrtswege. Russland erhebt in der Arktis Anspruch unter anderem auf das dort vermutete Gas, aber auch auf andere Ressourcen.

Die Atommacht will demnach nun aktiver werden im Arktisraum, wo auch andere Anrainer Ansprüche angemeldet haben. Ausdrücklich betont wird in der neuen Doktrin, dass Russland zur Durchsetzung seiner Interessen auf hoher See militärische Gewalt anwenden könne, wenn alle Versuche einer Konfliktlösung auf diplomatischem Wege ausgeschöpft seien. Für den Kriegsfall sollen dann auch zivile Schiffe in die Seestreitkräfte eingegliedert werden können.
Als Gefahren benannt wurden außerdem die Verlegung von militärischer Infrastruktur der NATO-Staaten an die russischen Grenzen sowie die Territorialansprüche einer “Reihe von Staaten”, die Meeresregionen und Inseln des Riesenreichs betreffen würden. Japan etwa fordert die Rückgabe der Inselgruppe der Südkurilen im Pazifik.

Ausgebaut werden soll dem Dokument zufolge die Präsenz einer “ausreichenden Zahl” an Marinestützpunkten außerhalb der Grenzen Russlands. In der syrischen Hafenstadt Tartus, wo die russische Flotte stationiert ist, war am Sonntag ebenfalls eine Schiffsparade geplant. Laut der Doktrin ist nicht zuletzt der Bau von modernen Flugzeugträgern vorgesehen – ungeachtet der Sanktionen des Westens gegen Werften.
Das von Putin feierlich unterzeichnete Dokument sieht außerdem einen Ausbau der militärischen Infrastruktur auf der 2014 annektieren Schwarzmeer-Halbinsel Krim vor. Die russische Schwarzmeerflotte solle gestärkt werden, hieß es. Die Ukraine beklagt schon seit Jahren, dass Putin die Urlaubsinsel in eine große Militärbasis verwandele und damit auch Touristen abschrecke.
Rotes Kreuz fordert Zugang zu Kriegsgefangenen ein
Das Rote Kreuz wartete nach dem Angriff auf ein Gefangenenlager im Osten der Ukraine zunächst vergeblich auf Zugang zu den Verletzten. “Um es klar zu sagen: Unserem Ersuchen um Zugang zu den Kriegsgefangenen aus dem Gefängnis Oleniwka wurde gestern nicht stattgegeben”, twitterte die Delegation des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in der Ukraine am Samstagabend. Das russische Verteidigungsministerium sagte dagegen in Moskau, es habe das IKRK zu einem Besuch eingeladen.
Oleniwka liegt bei Donezk auf dem von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebiet. In der Baracke mit Kriegsgefangenen soll in der Nacht zu Freitag eine Rakete eingeschlagen sein. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einem vorsätzlichen russischen Kriegsverbrechen. Nach russischer Darstellung wurde die Einrichtung von einem HIMARS-Mehrfachraketenwerfer aus den USA getroffen, den die ukrainische Armee einsetzt. Die Angaben beider Seiten konnten nicht unmittelbar unabhängig geprüft werden. Das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte am Samstag die Namen von 50 getöteten und 73 verletzten Gefangenen.