Eberhard Zumtobel machte trotz Handicap viel aus seinem Leben – ,nur’ die Liebe fehlte

21.07.2023 • 15:55 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Eberhard Zumtobel geht frohgemut durchs Leben.
Eberhard Zumtobel geht frohgemut durchs Leben.

Wegen seiner körperlichen Beeinträchtigungen wurde Eberhard Zumtobel (68) oft unterschätzt. Dabei ist er Doktor der Philosophie.

Dornbirn Eberhard Zumtobel (68) geht von Geburt an mit einer Behinderung durchs Leben. Eine unbehandelte Rhesusunverträglichkeit mit Antikörperbildung führte bei dem Baby zu einer Zerebralparese – die Erkrankung beeinflusst die Körperbewegungen und die Muskelkoordination eines Menschen. Konkret hat Eberhard Störungen in der Feinmotorik, Hörprobleme, eine Sprechstörung und eine erschwerte Kopfkontrolle. „Meine Kopfhaltung wurde mit den Jahren immer schräger“, bedauert Eberhard. Seine Worte kommen ihm nicht leicht von den Lippen. Das Sprechen macht ihm Mühe.

Der kleine Eberhard (rechts) mit seinem Bruder Constantin.
Der kleine Eberhard (rechts) mit seinem Bruder Constantin.

Nach der Geburt stand es Spitz auf Knopf um ihn. „Der nötige Blutaustausch wurde zu spät gemacht.“ Er war fünf Tage alt, als ihn der Pfarrer nottaufte. Eberhart war das zweite Kind seiner Eltern. „Mama hatte eine Totgeburt, weil sie einige Wochen vor der Geburt die Treppe hinuntergestürzt war.“ Als Kind wurde der gehandicapte Dornbirner, der noch einen jüngeren Bruder hat, öfters ausgegrenzt. „In der Unterstufe des Gymnasiums hänselten mich Klassenkameraden. Sie ließen mich nicht abschreiben.“

Eberhard war ein fröhliches Kind.
Eberhard war ein fröhliches Kind.

In der evangelischen Gemeinde hingegen war der Gymnasiast integriert. „Ich war Jugendleiter.“ Einmal war er mit einer Gruppe in den Bergen unterwegs. „Damals gab es noch keine Handys. Von einem Gasthaus aus wollte ich einen Freund anrufen. Die Kellnerin sagte in die Runde hinein: ,Kann der überhaupt telefonieren?‘“, ist Eberhard diese Demütigung noch gut in Erinnerung. Heute kann er darüber lachen, aber damals verletzte es ihn.

Schnee im Sommer. Diesen Schneemann bauten Eberhard (rechts) und sein Bruder Constantin am 18. August 1963 in Lech. Die Buben und ihre Eltern freuten sich über das gelungene Werk.
Schnee im Sommer. Diesen Schneemann bauten Eberhard (rechts) und sein Bruder Constantin am 18. August 1963 in Lech. Die Buben und ihre Eltern freuten sich über das gelungene Werk.

Eberhart, der als Jugendlicher ein talentierter Leichtathlet war und bei den Vorarlberger Juniorenmeisterschaften im 1500-Meter-Lauf sogar einmal eine Bronzemedaille einheimste, wurde von seinen Mitmenschen oft unterschätzt. Trotz seiner Handicaps brachte er es weit.

Eberhard Zumtobel war in seiner Jugend ein guter Läufer.
Eberhard Zumtobel war in seiner Jugend ein guter Läufer.

Nach der Matura arbeitete der junge Mann einige Jahre beim Landesstraßenbauamt in Feldkirch. Mit 27 Jahren begann er berufsbegleitend Psychologie und Pädagogik zu studieren, „weil ich in der Jugendarbeit tätig war und sie noch besser machen wollte“. Das sei die beste Entscheidung seines Lebens gewesen, meint er. Denn: „Ich lernte viele neue Menschen kennen und schloss Freundschaften. An der Uni wurde ich voll akzeptiert. So gut integriert war ich noch nie.“

Eberhard als junger Mann. Da trug er noch einen Bart.
Eberhard als junger Mann. Da trug er noch einen Bart.

Eberhard war ein fabelhafter Student. „Bei den Prüfungen hatte ich lauter Einser. Deshalb wurde mir das Hochbegabten-Stipendium für körperlich beeinträchtigte Menschen zugesprochen.“ Seine Dissertation schrieb er zum Thema: “Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung”.

Nach der Promotion im Jahr 1993 begann er in der Landesbibliothek zu arbeiten, wo er bis zur Pensionierung im Jahr 2018 tätig war. Zusätzlich engagierte er sich in der emanzipatorischen Selbstbestimmt-Leben-Bewegung. „Ich habe das Projekt in Tirol geleitet. Wir haben es geschafft, dass in allen Tiroler Bezirken ein Selbstbestimmt-Leben-Zentrum errichtet wurde.“

Eberhard kann gut mit sich allein sein.
Eberhard kann gut mit sich allein sein.

Auch in Vorarlberg setzte er sich für die Interessen von Menschen mit Behinderung ein. „Ich war Mitbegründer des Vereins ,Reiz-Selbstbestimmt Leben“. Der Blick zurück macht Eberhard stolz. Obwohl sein Start ins Leben holprig war und körperliche Handicaps ihn von Geburt an begleiten, hat er viel aus seinem Leben gemacht. Nur eines bedauert er – dass er nie der Liebe begegnet ist. „Das tut mir am meisten leid, dass ich nie eine Freundin hatte. Es ergab sich nicht. Ich war zwar ein paar Mal verliebt, aber daraus wurde leider nie etwas.“ Eberhard stellt sich die Liebe so vor: „Gemeinsam durch dick und dünn gehen, zusammen das Leben genießen, respektvoller, toleranter, rücksichtsvoller und liebevoller Umgang, zärtlich sein.“

Der Dornbirner hat im Laufe seines Lebens mehrere “wunderbare” platonische Freundschaften zu Frauen aufgebaut. “Diese Freundschaften haben mich für das entschädigt, was ich im Bereich Liebe und Beziehung nicht erleben konnte.”

Eberhard reist regelmäßig zur Hippotherapie nach Südfrankreich.  So kann er Therapie mit Urlaub verbinden.
Eberhard reist regelmäßig zur Hippotherapie nach Südfrankreich. So kann er Therapie mit Urlaub verbinden.

Als er noch jünger war, haderte er aber mit seinem Schicksal. „Ich hätte gern eine Familie gegründet.“ Inzwischen jedoch hat er sich mit seinem Schicksal ausgesöhnt. „Ich fühle mich wohl in meiner Haut. Mittlerweile bin ich gern allein. Ich habe ein Haus und mehrere Hobbys. Außerdem engagiere ich mich für die evangelische Gemeinde. Ich betreue die Bibliothek und gestalte den Seniorennachmittag mit. Mir wird nicht langweilig“, sagt er lächelnd und ist sichtlich froh über sein sinnerfülltes Leben.