Jedes dritte Kind kann nicht schwimmen

Immer weniger Volksschulkinder sind in der Lage, sich selbst aus Notlagen im Wasser zu retten.
Bregenz Im gerade abgeschlossenen Schuljahr organisierten die Stadtwerke Bregenz erstmals ein Schulenkursprojekt. 590 Schüler, überwiegend der zweiten Klasse Volksschule, aus Bregenz, Hard, Höchst, Wolfurt, Buch und Langen kamen ins Bregenzer Bad. Das Ergebnis ist alarmierend: “Bei 590 teilnehmenden Kindern war die Nichtschwimmerquote bei 36 Prozent”, bestätigt Badleiter Alexander Fritz. “Weitere 30 Prozent sind nicht untergegangen, aber das hat auch nicht viel mit Schwimmen zu tun und die restlichen 34 Prozent wurden als Schwimmer bewertet.”
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Ähnliche Zahlen zeigten sich im Zuge des Wasser-Sicherheits-Checks für die 2. und 3. Klassen Volksschule von Sicheres Vorarlberg. 1400 Kinder wurden hier anhand ihrer Schwimmkenntnisse eingestuft. So gilt hier jedes vierte Kind als Nichtschwimmer, weitere 36 Prozent können zumindest 12 Meter mit mangelhaften Fähigkeiten zurücklegen. Konservativer sind die Ergebnisse des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KfV), demnach ist jedes zehnte Kind Nichtschwimmer, weit mehr Kinder nur schlechte Schwimmer. “Sobald Wellen oder eine Strömung aufkommen, können diese Kinder sich nicht mehr selbst retten”, warnt KfV-Sicherheitsexperte Christian Kräutler. Die Folgen: In Österreich gab es heuer bereits 26 tödliche Badeunfälle, dabei haben die Sommerferien erst begonnen.
Fehlender Bezug zu Wasser
Die Unterschiede seien beim Schulprojekt in den unterschiedlichen Gemeinden stark variierend, doch in Bregenz sieht man allgemeine Tendenzen. “Auffallend ist ein relativ großer Anteil von Kindern, die wirklich gar nichts mit Wasser anfangen können und offensichtlich noch nie in Hallen- oder Freibädern waren”, betont Fritz. Als erklärende Komponente funktioniere der kulturelle Hintergrund am besten. Sprich, Kinder aus Migrationsfamilien wachsen mit einem anderen Bezug zum Baden heran, ihre Familien nutzen den freien Seezugang nicht oder anders als zum Schwimmenlernen.
Bei Sicheres Vorarlberg sieht man weitere Herausforderungen. Mario Amann sieht ein allgemeines Nachlassen der Motorik bei Kindern, das Schwimmen wird für diese daher zäher. “Unsere Daten zeigen auch auf, dass zwar die Kinder von der ländlichen Gegend zu Beginn des Kurses nicht besser schwimmen können als die Kinder aus dem urbanen Raum, jedoch durch ihre besseren motorischen Fähigkeiten bei Weitem besser am Ende des Kurses abschneiden”, erklärt er.
Mehr Angebote gefragt
Dabei wäre die Nachfrage vorhanden, sowohl das Schulprojekt als auch die normalen Schwimmkurse seien gut gebucht, betont Fritz. Und die zwei Jahre der Coronapandemie will er nicht als alleinige Ausrede der verpassten Schwimmkurse gelten lassen. Auch Amann sieht keinen großen Unterschied aufgrund der vergangenen Pandemie.
Doch was tun? Kräutler vom KfV setzt auf Schwimmen in den Schulen, um möglichst viele Kinder zu erreichen. Zwar sei der Regierung der Bedarf bewusst, wie ein Blick ins Regierungsprogramm zeige. Doch müsse die notwendige Infrastruktur geschaffen werden, sprich mehr Geld für Schwimmunterricht an den Schulen.

Abseits der Kinder gibt es noch weitere Baustellen: Kräutler sieht Selbstüberschätzung bei Senioren als ein großes Problem. Und Kleinkinder werden schneller abgetrieben, als deren Eltern erwarten würden. “Kinder sollte man immer in Griffweite wissen”, betont der KfV-Experte.
Sicheres Vorarlberg warnt ebenfalls, dass die Selbstrettungsfähigkeiten von Kindern durch die Eltern oft stark überschätzt werden. Schlussendlich brauche es die erneute Etablierung von Schwimmen als Grundkompetenz, die Leben retten könne. “Damit dies erreicht werden kann, benötigt es nicht nur die Schulen und öffentlichen Angebote, sondern auch die Mithilfe der Eltern/Erziehungsberechtigten”, warnt Amann. Hier reiche es nicht, mit den Kindern nur rutschen und plantschen zu gehen.
Hinzu kommt, viele nach Östereich geflüchtete Kinder und Jugendliche haben in ihrer Heimat keinen Bezug zu Wasser erworben und würden das Risiko daher unterschätzen, wenn sie mit Bekannten etwa zum Stand-up-Paddeln gehen. Dementsprechend brauche es auch Schwimmkurse für erst kürzlich in Österreich angekommene Jugendliche.