Die Idee sozialer Handball elektrisierte ihn

09.08.2023 • 17:10 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Ferdinand Armellini ist seit mehr als 20 Jahren tief in der heimischen Handballszene verankert. <span class="copyright">Philipp Steurer </span>
Ferdinand Armellini ist seit mehr als 20 Jahren tief in der heimischen Handballszene verankert. Philipp Steurer

Ferdinand Armellini (70) gründete vor 14 Jahren die Handball Specials Vorarlberg. Dank ihm können Menschen mit einer geistigen Behinderung in Vorarlberg Handball spielen. Nun hat der Harder die Alpenherzliga ins Leben gerufen.

Hard Das Leben mit seinen Hochs und Tiefs machte ihn zu einem Menschen mit ausgeprägter sozialer Ader. Ferdinand Armellini (70) wurde schon früh mit der Härte des Lebens konfrontiert. Er war 13, als seine Mutter an Krebs starb. Nach dem Tod der Mutter nahm ihn sein elf Jahre älterer Bruder Werner bei sich auf. „Die Frau von Werner kümmerte sich um mich.“

Ferdinand machte die Schule fertig und absolvierte eine Tischlerlehre. „Ich war handwerklich geschickt und konnte gut zeichnen“, erklärt er, warum er sich für diese Ausbildung entschied. Beruflich ging der Harder in Richtung Küchenplanung. Er arbeitete bei verschiedenen Firmen, zweimal wagte er sogar den Schritt in die Selbstständigkeit, einmal als Raumausstatter und einmal mit einem eigenen Küchenstudio. Doch beruflich lief es nicht immer rund für Ferdinand, der die letzten zehn Berufsjahre für eine Sportartikelfirma tätig war. Seine verschiedenen beruflichen Tätigkeiten sieht er rückblickend aber als positiv an. „Es war eine gute Schule des Lebens. Ich habe immer was dazugelernt.“

Die Spieler der Handball Specials Vorarlberg mit ihrem Obmann Ferdinand Armellini (links), der Vizeobfrau Cornelia Michalke (hinten rechts) und dem Trainer Roland Ropoli (hinten links).
Die Spieler der Handball Specials Vorarlberg mit ihrem Obmann Ferdinand Armellini (links), der Vizeobfrau Cornelia Michalke (hinten rechts) und dem Trainer Roland Ropoli (hinten links).

Ferdinands Privatleben war vom Handball bestimmt. Und das kam so: „Mein damals siebenjähriger Sohn Claudio teilte mir mit, dass er zum Handballtraining des Alpla HC Hard geht.“ Und weil Ferdinand ein engagierter Vater war, begleitete er seinen Sohn zu (fast) jedem Spiel und Training. „Vorher hatte ich noch nie eine Handballhalle von innen gesehen. Der Sport faszinierte mich auf Anhieb. Er ist so dynamisch und intelligent. Mich beeindruckte auch, wie engagiert man mit den Kindern umging und wie sehr man sie förderte.“

Schnell übernahm er beim Verein verschiedene Funktionen. „Ich war unter anderem Fanclub-Leiter und kam dann bald in den Vorstand.“ Handball wurde zu seinem Hobby. Sein Interesse ging so weit, dass er eine Ausbildung zum Schiedsgericht und eine zum Sportmanager machte. Nach der Gründung des „Handball Club Bodensee Lauterach“ baute er als Vorstandsmitglied den Jugendverein auf. „Mein mittlerweile dreißigjähriger Sohn Claudio spielt übrigens heute noch beim HC Bodensee.“

Ferdinand Nagel (14) und Alfred Gmeiner (61) – der jüngste und der älteste Spieler der Handball Specials Vorarlberg.
Ferdinand Nagel (14) und Alfred Gmeiner (61) – der jüngste und der älteste Spieler der Handball Specials Vorarlberg.

Im Herbst 2009 führte der Zufall Regie. Ferdinand saß am Computer, nebenher lief der Fernseher. Er wurde auf ein Handballspiel aufmerksam, das aus Karlsruhe übertragen wurde. Es war kein gewöhnliches Handballspiel. „Sportler mit einer geistigen Behinderung spielten Unified-Handball, das heißt pro Mannschaft dürfen zwei Feldspieler (Unified-Partner) ohne Behinderung auf dem Spielfeld zum Einsatz kommen. Diese führen, dürfen aber kein Tor schießen.“ Der Gedanke dahinter: Durch den gemeinsam ausgeübten Handballsport soll Menschen mit geistiger Behinderung die Integration in die Gesellschaft erleichtert und ihre Lebensqualität durch gesellschaftliche Anerkennung erhöht werden. Diese Idee elektrisierte den handballbegeisterten Mann aus Vorarlberg. Ferdinand fand sie so gut, dass er spontan Kontakt mit dem Verein in Süddeutschland und mit dem Generalsekretär vom Österreichischen Handballbund aufnahm. „Mein Ziel war es, dass Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung auch bei uns in Vorarlberg und Österreich Handball spielen können.“

Alfred Gmeiner mit seinem Idol, dem aus Bregenz stammenden Handballspieler Robert Weber. Dieser spielte anfangs bei Alpla HC Hard. Später ging er nach Deutschland. Weber  gehört mit 2.510 Toren zu den fünf erfolgreichsten Torschützen der deutschen Handball-Bundesliga-Geschichte.
Alfred Gmeiner mit seinem Idol, dem aus Bregenz stammenden Handballspieler Robert Weber. Dieser spielte anfangs bei Alpla HC Hard. Später ging er nach Deutschland. Weber gehört mit 2.510 Toren zu den fünf erfolgreichsten Torschützen der deutschen Handball-Bundesliga-Geschichte.

Das war die Geburtsstunde der „Handball Specials Vorarlberg“. Ferdinand schaffte es, innerhalb weniger Wochen eine Mannschaft auf die Beine zu stellen. Mitte Jänner 2010 war es dann so weit: Erstmals trat eine Vorarlberger Mannschaft gegen die Turnados aus Karlsruhe an. Die Sportler mit mentaler Behinderung bestritten im Rahmen der Handball-Europameisterschaft ein Vorspiel in der Innsbrucker Olympiahalle. „Für mich war es das schönste Spiel in all den Jahren. Beim Einlauf ins Stadion wurde jeder Sportler mit seinem Namen aufgerufen. Das hat mich tief berührt.“

Ferdinand Armellini mit seiner Lebensgefährtin Ilse.
Ferdinand Armellini mit seiner Lebensgefährtin Ilse.

Heute sind die Handball Specials Vorarlberg eine feste Größe im Ländle. Etwas mehr als 20 mental beeinträchtigte Sportler im Alter zwischen 14 und 61 Jahren spielen derzeit für den Verein. „Sie sind stolz, dass sie zur Vorarlberger Handballfamilie gehören.“ Zweimal im Monat wird trainiert. Gespielt wird meistens vor Wettkämpfen der Vorarlberger Handballvereine. „Bei uns gibt es nicht nur einen Tag Inklusion. Bei uns findet Inklusion ständig statt“, stellt Ferdinand klar. Er weiß, warum er jeden Tag für die Sache kämpft und mehrere Stunden am Tag darauf verwendet: „Durch den Sport kann man diesen Menschen den Stellenwert geben, der ihnen zusteht.“

Ferdinand Armellini freut sich über sein neuestes „Kind", die Alpenherzliga.
Ferdinand Armellini freut sich über sein neuestes „Kind", die Alpenherzliga.

Derzeit setzt sich der Obmann der Handball Specials für das Projekt „Alpenherzliga“ ein. „Das ist mein neuestes Kind. Wir haben sie ins Leben gerufen, damit wir auch international einen Zugang zum sozialen Handball haben. An der Liga beteiligen sich vier Vereine aus der Schweiz, eine Mannschaft aus Südtirol und wir. Das erste Turnier findet nächstes Jahr statt.“ Derzeit fiebern Ferdinand und seine Sportler aber dem Internationalen Schmelzer Jugendhandballturnier entgegen, das Ende August in Wien stattfindet. „Wir spielen gegen die MGA Specials aus Wien“, informiert der 70-Jährige. Sein Tun füllt ihn voll aus. „Es bereitet mir eine große Freude.“ Das Schönste sei zu sehen, „dass was vorwärtsgeht in Sachen gelebter Integration“.

Ferdinand Armellini

geboren 31. August 1952 in Hard

Wohnort Hard

Ausbildung Tischler

Familie geschieden, Sohn Claudio, Tochter Corinna und Enkelin Emilia

Hobby Handball Specials Vorarlberg

Lebensmotto Wer sich bewegt, bewegt was