FSG-Gewerkschaft schlägt Alarm: “Stoppt die Angriffe auf Betriebsräte”

Vorgehen bei Firma Grass gegen eigene Betriebsräte wird von AK-Vizepräsidentin Manuela Auer wörtlich als “Sauerei” bezeichnet. Auer will vor Arbeitsgericht alle Hebel in Bewegung setzen.
Feldkirch Aus Sicht der Gewerkschaft häufen sich in jüngster Zeit die Angriffe von Unternehmen auf dieeigenen Betriebsrät:innen. „Wir gingen nach den falschen Anschuldigungen bei Tridonic von einem Einzelfall aus, jedoch zeigt sich, dass auch andere Unternehmen keine Scham haben, gegen die eigenen Betriebsräte vorzugehen“, kritisiert AK-Vizepräsidentin Manuela Auer (FSG). Aktuell versucht die Firma Grass zwei langjährige und verdiente Betriebsräte mittels Gerichtsbeschluss loszuwerden. „Die beiden Arbeitnehmervertreter wurden mit fadenscheinigen und haltlosen Vorwürfen vor Gericht gezerrt ohne Aussicht für das Unternehmen auf Erfolg. Hier wird die betriebliche Mitbestimmung offensiv angegriffen. Wir lassen uns aber nicht loswerden. Wir werden den betroffenen Betriebsräten mit allen Mitteln zu ihrem Recht verhelfen“, gibt sich Auer kämpferisch.
Konstruierte Vorwürfe gegen Betriebsräte?
Die Firma Grass hat offenbar zuletzt eine Kündigungswelle in Gang gesetzt, die sich vor allem gegen ältere, gutverdienende Mitarbeiter richtet. Zahlreiche derartige Kündigungen wurden bereits wegen Sozialwidrigkeit und Altersdiskriminierung gerichtlich angefochten.

„Auch vor der Arbeitnehmervertretung macht das Unternehmen nicht Halt“, kritisiert Auer. Weil Betriebsräte aber einen besonderen Kündigungsschutz haben, versucht Grass mit mehr oder weniger konstruierten Vorwürfen per Gerichtsbeschluss eine Kündigung beziehungsweise Entlassung zu erwirken. „Wie hier gegen Betriebsräte vorgegangen wird, ist eine Sauerei“, findet Auer deutliche Worte und kritisiert: „Auf der einen Seite wird die Sozialpartnerschaft mit Betriebsrat und Gewerkschaft abgelehnt, auf der anderen Seite wurden aber in der Coronakrise Millionenbeträge über das Kurzarbeitszeitmodell eingesackt, das die Gewerkschaft ermöglicht hat. Ich fordere die Firma Grass und den Würth-Konzern auf, die Angriffe auf Betriebsräte einzustellen und eine gute
Sozialpartnerschaft auf Augenhöhe zuzulassen.“
Änderungskündigung wird nicht zugestimmt
In dem einen Fall geht es darum, dass ein Betriebsrat und Mitarbeiter mit
Leitungsfunktion für die Firma Grass offenbar zu teuer geworden ist. Aus diesem
Grund wurde eine Änderungskündigung ausgesprochen in Verbindung mit einer
Gehaltsreduktion von über 600 Euro.
“Die beiden Arbeitnehmervertreter wurden mit fadenscheinigen und haltlosen Vorwürfen vor Gericht gezerrt ohne Aussicht für das Unternehmen auf Erfolg.”
AK-Vizepräsidentin (FSG) Manuela Auer
Der Mitarbeiter hat dem nicht zugestimmt, worauf die Kündigung ausgesprochen wurde. „Es bedurfte der Intervention der Gewerkschaft, dass die Firma Grass einsah, dass man den Betriebsrat nicht einfach kündigen kann“, berichtet die AK-Vizepräsidentin. „Der betroffene Mitarbeiter ist seit 43 Jahren im Unternehmen und seit 20 Jahren Betriebsrat. Er hat sich noch nie etwas zuschulden kommen lassen und erfüllt seine Aufgaben vorbildlich. Erst nachdem er der Änderungskündigung nicht zustimmte, zog das Unternehmen zwei Abmahnungen wegen angeblicher Versäumnisse aus der Schublade, womit nunversucht wird, ihn loszuwerden.“
Will Grass nur Betriebsrat loswerden?
Sein Anwalt, Sanjay Doshi, erklärt dazu: „Es wird jedenfalls bestritten, dass der
Beklagte seiner Arbeitsverpflichtung nicht nachkommt. Der Beklagte übt die
Leitungsfunktion nach wie vor aus. Es gibt schlichtweg keinen Grund, warum er auf einen Teil seines Gehalts verzichten soll. Die Gründe, die die Entlassung eines
Betriebsrats rechtfertigen, sind in § 122 ArbVG abschließend geregelt. Das bisherige Vorbringen der klagenden Partei lässt sich unter diese Bestimmung nicht subsumieren. Schon von daher wird die Klage abzuweisen sein.“

Manuela Auter weiter: „Auch im zweiten Fall geht es offensichtlich nur darum, einen Betriebsrat loszuwerden.” In der langjährigen Tätigkeit des Betroffenen für das Unternehmen, zuletzt als Abteilungsleiter, habe es weder Verfehlungen noch Versäumnisse gegeben. Der Betriebsrat sei seit Mai nicht mehr im Unternehmen. „Die Vorwürfe stinken klar nach einem Angriff auf den Betriebsrat.“
“Sexuelle Belästigung” als Vorwand?
Ihm wird vorgeworfen, bei einer angeblichen „sexuellen Belästigung“ einer
Mitarbeiterin, durch einen anderen Arbeitskollegen in seiner Abteilung, nicht
entsprechend reagiert zu haben.
“Hier wird versucht, langjährige Mitarbeiter mürbe zu machen und sie loszuwerden.”
Rechtsanwalt Sanjay Doshi
In den Gesprächen zwischen Betriebsrat und der
betroffenen Mitarbeiterin sei jedoch nie die Rede von einer sexuellen Belästigung
gewesen. Das würde auch ein Gesprächsprotokoll belegen. Anwalt Sanjay Doshi sieht auch in diesem Fall keine Verfehlungen seitens des beschuldigten Betriebsrates: „Es muss bestritten bleiben, dass überhaupt eine sexuelle Belästigung stattfand. Jedenfalls hätte der Beklagte keinerlei Kenntnis davon gehabt. Die Geschehnisse rechtfertigen nie und nimmer die Entlassung eines Betriebsrats.“ Außerdem habe der Beschuldigte alles unternommen, um die Mitarbeiterin in eine andere Abteilung zu versetzen.
Angriffe auf Betriebsräte im Würth-Konzern System?
Vertreter der IG-Metall in Deutschland berichten von einem “erschreckenden Verhältnis” zwischen dem Würth-Konzern und der Arbeitnehmervertretung.
„Betriebsräte werden mit Personalgesprächen eingeschüchtert, von
Veranstaltungen ausgegrenzt und abgemahnt. Die Methoden reichen bis hin zu
Anträgen auf Kündigung“, berichtet Uwe Bauer, Geschäftsführer der IG-Metall
Schwäbisch Hall. Eine Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft wurde im letzten Jahr nach Aufforderung zur Tarifbindung ausgeschlossen. Bei der Personalrechtsabteilung würden Gewerkschaftsmitglieder gar im Fokus
stehen. Auch das Betriebsratsmitglied von Würth, Jürgen Daffner, wird massiv unter Druck gesetzt. „Mittlerweile habe ich die vierte Abmahnung bekommen. Ich werde beobachtet, ausgegrenzt und diffamiert. Ich werde bei Veranstaltungen, auch regional, ausgeschlossen, Mitarbeiter:innen werden bedrängt, wenn sie auf mich zugehen, oder es wird von Führungskräften verboten, mit mir zu sprechen.“
“Stoppt Angriffe auf Betriebsräte”
Vor der Betriebsratswahl im vergangenen Jahr empfahl gar Unternehmer
Reinhold Würth selbst in einem Brief an die Würth-Mitarbeiter:innen, keine
Gewerkschafts-Vertreter zu wählen. Zu verhindern war nach der öffentlichen Aufmerksamkeit die Wahl nicht mehr. „Die letzte Betriebsrats-Wahl hat gezeigt, dass sich die Mitarbeiter eine Wahl nicht vorschreiben lassen“, berichtet Daffner. Die Mitglieder der IG Metall Liste haben schließlich auch die meisten Stimmen gemacht. Es habe aber Hinweise aus der Belegschaft gegeben, dass das Wahlergebnis für die IG Metall sogar noch zu niedrig ausgefallen sei. Die Einsicht in die Wahlunterlagen mit Betriebsrat und Gewerkschaft wurden verwehrt.
Manuela Auer findet zu den Vorkommnissen in der Firma Grass
klare Worte: „Es ist eine Sauerei, wie hier mit Betriebsräten und langjährigen
Mitarbeiteren umgegangen wird“, so die Arbeitnehmervertreterin auch in Richtung Mutterkonzern Würth. „Das Vorgehen gegen Betriebsräte ist nicht nur ein Angriff auf diese persönlich, sondern auch ein Angriff auf die betriebliche Mitbestimmung. Derart abscheuliche Versuche, das Mitspracherecht zu unterbinden, müssen bereits im Keim erstickt werden. Ich wünsche den betroffenen Betriebsräten Durchhaltevermögen, dass sie sich nicht unterkriegen lassen und diese Angriffe gut wegstecken. Seitens der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter:innen in der AK Vorarlberg
dürfen sie jedenfalls auf vollste Unterstützung vertrauen. Wir werden alle Mittel
ausschöpfen und Hebel in Bewegung setzen, um ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen.“
“Betriebsrat ist für alle Seiten ein Gewinn”
Auer verweist abschließend auf die positiven Effekte durch betriebliche
Mitbestimmung, wie Studien regelmäßig zeigen würden. „Betriebsrät:innen tragen zu mehr Produktivität, höheren Löhnen und steigenden Renditen bei. Zudem können mitbestimmte Betriebe mit mehr schrittweisen Innovationen, Weiterbildung und dualer Ausbildung aufwarten. Die Arbeitszufriedenheit ist höher, die Personalfluktuation nimmt ab und es gibt weniger Arbeitskräftemangel. Das Arbeitsumfeld mit familien- und freizeitfreundlichen Arbeitszeitmodellen ist deutlich besser. Zugleich können Arbeitnehmervertretungen zu mehr Lohngleichheit
beitragen.“
Auch für die Arbeitgeber ist ein Betriebsrat laut Auer positiv: „Sie haben einen
Ansprechpartner statt mit jedem und jeder Beschäftigten einzeln verhandeln zu
müssen. Und sie haben in der Regel motiviertere Mitarbeiter:innen, die auch
produktiver sind. Unternehmen mit einem Betriebsrat sind einfach besser!“ Das
beweist auch eine Umfrage der ServiceValue GmbH: Von Österreichs Top 25
Arbeitgebern haben 21 einen Betriebsrat. Unter den Firmen finden sich namhafte
Vertreter wie Hofer, Manner, die Vinzenz Gruppe oder auch die Austro Control. „Und es hat sich auch während der Coronakrise gezeigt: Betriebe und Unternehmen mit Betriebsrat waren in dieser Krisensituation eindeutig besser aufgestellt.“