Frauenmuseum dokumentiert mit „Frau am Kreuz“ Zeugen androgyner Gottesbilder.

Kultur / 30.03.2019 • 21:33 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
 Leihgaben für die neue Ausstellung im Frauenmuseum kommen unter anderem aus dem Diözesanmuseum in Brixen oder dem Volkskunstmuseum in Innsbruck. VN/Steurer

Leihgaben für die neue Ausstellung im Frauenmuseum kommen unter anderem aus dem Diözesanmuseum in Brixen oder dem Volkskunstmuseum in Innsbruck. VN/Steurer

Hittisau Das Kümmernis-Kreuz aus Rankweil ist als eines der bedeutendsten romanischen Kunstwerke in Vorarlberg bekannt. Dass es auch in der Martinskapelle in der Bregenzer Oberstadt eine Volto-Santo-Darstellung als Fresco aus dem 14. Jahrhundert gibt, dürfte einigen bislang entgangen sein. Die Ausstellung “Frau am Kreuz” im Frauenmuseum in Hittisau ruft das Werk in Erinnerung und bettet es in einen Themenkomplex ein, der vielschichtiger kaum sein könnte.

Abgesehen davon, dass Maria Magdalena beim in der Martinskapelle dargestellten Abendmahl anwesend ist, befindet sich dort auch ein gekreuzigter König, der dem Habitus nach dem berühmten Volto Santo aus Lucca, der Ziel zahlreicher Pilger war, entspricht. Die Figur trägt ebenfalls eine Krone und ein gegürtetes Gewand. Ein Schuh wird gerade einem Knieenden übergeben. Diese Szene verweist auf eine Legende, nach der die heilige Kümmernis einem armen Geiger einen goldenen Schuh zugeworfen hatte. Unglücklicherweise wird dieser dann bezichtigt, das teure Objekt gestohlen zu haben. Um den armen Menschen zu entlasten, verlor die Kümmernis dann vor Zeugen ihren zweiten Schuh.

Die Kümmernis-Kreuz-Skulptur aus der Gnadenkapelle in der Basilika Rankweil, die einen besonders feingliedrigen Körper zeigt und aus dem 12. Jahrhundert stammt, aber erst im 18. Jahrhundert wiederentdeckt wurde, deutet nicht nur daraufhin, dass ein geschlechterinklusives oder androgynes Götterbild kein Thema der Gegenwart ist, mit ihr geht auch eine weitere Erzählung einher. Eine gläubige junge Frau erflehte sich Hässlichkeit und einen Bartwuchs, um der vom Vater verordneten Zwangsheirat entgehen zu können. Als sie erhört wurde und der auserwählte Bräutigam sich somit aus dem Staub machte, ließ der Vater die Bedauernswerte ans Kreuz nageln.

Erlöserinnen

“Grüß Göttin” hieß es vor zwei Jahren am Eingang des Jüdischen Museum in Hohenems. Gezeigt wurde eine Ausstellung, die grundsätzlich das Thema aufrollte, dass ein Gott, der laut Genesis Mann und Frau nach seinem Abbild geschaffen hat, nicht nur männlich verstanden werden kann. Diesen Themenkomplex reißt nun auch Stefanie Pitscheider Soraperra, die Direktorin des Frauenmuseums in Hittisau an, wenn sie den Fokus auf Kreuzesdarstellungen über die Jahrhunderte richtet. Gekreuzigte Frauen, wie sie gerade im Alpenraum und in der Volkskunst besonders oft auftreten, seien, wie sie betont, nicht als blasphemisch betrachtet worden. “Die Gekreuzigte war oft eine Patronin für Frauen in Not und wird auch in einem Atemzug mit den Nothelfern genannt.” Es stelle sich die Frage, ob es in der spirituellen Denke so etwas wie eine Androgynität von Gott gibt.

In einer umfangreichen Schau, die mit vielen Bilddokumenten arbeitet, aber auch Originale enthält, die unter anderem aus der eigenen Sammlung oder aus dem Diözesanmuseum in Brixen sowie dem Volkskunstmuseum in Innsbruck stammen, wird das Thema sehr breit aufgegliedert. Anhand der Bilder lässt sich nachweisen, dass sowohl Frauen wie auch Männer die Verwandlung hin zum jeweils anderen Geschlecht als eine Annäherung zu Gott interpretierten.

Darüber hinaus wird auch gezeigt, dass das Motiv in der zeitgenössischen Kunst oder in der Pop-Kultur immer wieder auftaucht. Die Gekreuzigte verweist auf die Gewalt, der Frauen ausgesetzt sind, andererseits steht das Bild heute für Befreiung und Toleranz oder es transportiert ein gesellschaftspolitisches Anliegen.

Geöffnet im Frauenmuseum Hittisau bis 20. Oktober, Mi, 14 bis 17 Uhr, Do bis So, 10 bis 17 Uhr: www.frauenmuseum.at

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