Gerold Riedmann

Kommentar

Gerold Riedmann

Herzblatt

Politik / 06.09.2019 • 18:44 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Die Vorarlberger ÖVP und die Grünen veröffentlichen ihre internen Umfragen nicht mehr. Zu gut seien die Ergebnisse derzeit. Die beiden Parteien fürchten, dass sich ihre Anhänger so nur schwer mobilisieren lassen. Wer rennt noch, wenn man den Sieg in Reichweite wähnt?

Für Landeshauptmann Markus Wallner lautet die Frage, wie weit entfernt er von einer möglichen absoluten Mehrheit Mitte Oktober zu liegen kommt. Ansonsten kann er sich zurücklehnen und selbst wählen: seinen Regierungspartner!
Die Vorarlberger Grünen waren vor Monaten noch in einer tiefen Depression: zehn oder zwölf Prozent traute man sich zu. Durch Werner Koglers Europa-Erfolg ist im Windschatten von Greta Thunberg nun alles anders: Johannes Rauch will das Wahlergebnis vom letzten Mal erreichen, um als Sieger zu gelten. Die Messlatte liegt bei 17 Prozent. Die Jungen, die Rauch in nicht allzu ferner Zukunft beerben werden, sind im bürgerlichen Lager jedoch weit weniger akzeptiert, als Rauch selbst das vormals war. Den Grünen gefällt das: Zuletzt am Freitag präsentierte sich die Regierungspartei als Revolutionstruppe – Fahnen und selbstgemalte Plakate inklusive. Wie die Grünen die Fortsetzung der Koalition innerparteilich mit der Basis lösen, ist noch unklar: Sie müssten mit der logischen ÖVP-Forderung nach einem uneingeschränkten Ja zum S18-Straßenbau und der Tunnelspinne in Feldkirch das Revolutionäre abstreifen.

„Deutlich soll werden: Konstruktive Zusammenarbeit statt Verhinderungspolitik.“

Die anderen Parteien bieten sich dem Landeshauptmann so stark wie selten zuvor als neue Braut an. Die Vorarlberger Regierungsbildung fällt exakt in die Koalitionsverhandlungen der Bundesparteien. Unser Gesetz sagt: Die Regierung muss vier Wochen nach der Wahl stehen: Mitte November. Zack, zack, zack. Das wird im Bund deutlich länger dauern.

Männertrio

Die FPÖ konzentriert sich in der Kommunikation sehr auf Christof Bitschi. Der 28-Jährige ist gleich nach der Wahl dem Landeshauptmann verbal ordentlich an den Karren gefahren. Heute relativiert Bitschi das. Er weiß: Eine Regierungsbeteiligung auf Landesebene wäre ein wichtiges Heilungssignal. Markus Wallner hat die Anfeindung jedoch nicht vergessen. Programmatisch ist Gerechtigkeit der Kern des FPÖ-Wahlkampfs. Gerechtigkeit nur für Vorarlberger, eh. Auch Frauen will die FPÖ, deren Landesliste mit Bitschi, Allgäuer und Egger ein Männertrio vorsteht, unterstützen.

Größter Feind der Neos? Die fehlende Bekanntheit der Akteure in Vorarlberg neben Spitzenkandidatin Sabine Scheffknecht. Zwar gibt es bei den Pinken so viele Vorarlberger wie nirgends sonst: sie sind aber alle ausgeschwärmt ins EU-Parlament (Gamon), in den Nationalrat (Loacker) oder zurückgetreten (Strolz). So setzen die Neos auf ein Sabine-Scheffknecht-Solo. Auch thematisch gibt es einen Hauptstrang: Bildung. Scheffknecht bietet sich als Bildungslandesrätin an. Zehn Prozent wurden als Wahlziel ausgerufen, und damit mehr, als die SPÖ 2014 für sich verbuchen konnte.

Kuschelstrategie

Apropos SPÖ: Sie fährt die interessanteste Kampagne. Sie hat bereits den Vorarlberger Spitzenkandidaten Martin Staudinger an vielen Orten plakatiert, neben Pamela Rendi-Wagner. Herr Staudinger sucht sein Glück mit einer Kuschelstrategie: “Mitanand”, steht auf den Plakaten, “niemals gegenanand”, möchte man hinzufügen. Er ist nett zu seinem Vorgänger Michael Ritsch, der die SPÖ auf 8,8 Prozent heruntergefahren hat, er ist supernett zum Landeshauptmann. Deutlich soll werden: Konstruktive Zusammenarbeit statt Verhinderungspolitik.
Für den Landeshauptmann und die Vorarlberger ÖVP muss sich das alles weniger wie ein Wahlkampf anfühlen, mehr wie eine Herzblatt-Sendung.

Gerold Riedmann
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Gerold Riedmann ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.

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