Wegerecht durchkreuzt Baupläne

Bauträger muss nach Rechtsstreit auf 4000-Quadratmeter-Grundstück verzichten.
Feldkirch, Innsbruck, Wien Das knapp 4000 Quadratmeter große Hanggrundstück liegt in einer 1000-Seelen-Gemeinde. Als 1982 ein uneingeschränktes, unentgeltliches Geh- und Fahrrecht eingeräumt wurde, war die Gegend ländlich und naturbelassen. Man dachte an Landwirtschaft, nicht an Mehrparteienhäuser.
Das belastete Grundstück wurde später geteilt und an zwei Personen verkauft. Beide Käufer wussten, dass ihre Grundstücke durch das Wegerecht belastet sind. In welchem Umfang, sollte sich als schwierige Frage herausstellen. Sollten nur Traktoren über die zugestandene Zufahrt rollen oder sollte das Wegerecht auch zugunsten einer geplanten Wohnanlage mit acht Wohnungen bestehen?
Letzteres wurde aktuell, als ein Bauträger Interesse an dem Hanggrundstück bekundete. Der Eigentümer des Hanggrundstückes wollte verkaufen, der Kaufvertrag wurde unterzeichnet und es fand auch schon die Bauverhandlung – mit dem Bauträger als Bauwerber – statt. Nach kostspieligen Planungen wurden die Wohnungen bereits zum Kauf angeboten. Doch ohne Zufahrtsrecht keine Wohnanlage. Der Kläger ging vor Gericht, verlor im Hauptpunkt jedoch in beiden Instanzen. „Wir sind froh, diesen Streit ‚David gegen Goliath‘ gewonnen zu haben“, freut sich Rechtsanwalt Martin Ulmer, der, so wie sein Anwaltskollege Oliver Diez erfolgreich war. Die beiden Beklagten konnten somit die Wohnanlage verhindern.
Gefährliche Unsicherheit
Ungenaue Formulierungen bergen Risiken. Das war auch hier der Fall. Ein Wegerecht kann entweder genau konkretisiert werden oder es muss, allenfalls im Rechtsstreit, genau abgegrenzt werden. Es wurde zwar ein „uneingeschränktes Fahrrecht“ schriftlich vereinbart, doch damit ist längst nicht alles fixiert. Beide Instanzen legten fest, dass man an den Zeitpunkt der Bestellung zurückdenken, sich den ursprünglichen Bestand und die einstige Bewirtschaftungsart vor Augen halten muss. Dazu kam, dass nicht mehr festgestellt werden konnte, mit welcher Widmung das Grundstück ausgewiesen war.
Stück für Stück
Zunächst baute der Kläger nur Obst in der Hanglage an, später errichtete er ein kleines landwirtschaftliches Betriebsgebäude, dann zog er in das Gebäude ein. Diese Veränderungen störten die Anrainer nicht, der Nachbar durfte weiterhin zufahren. Die Absicht, das Grundstück an einen Bauträger, der darauf acht Wohneinheiten errichten wollte, zu verkaufen, ging den Anrainern zu weit. Eine Zunahme des Verkehrs und Mehrbenutzung der Zufahrt wäre die Konsequenz gewesen.
„Dies war zum Zeitpunkt der Dienstbarkeitsbestellung nicht mitbedacht oder vorhersehbar“, zitiert Martin Ulmer, froh über den Prozesssieg, aus dem Urteil. „Ein uneingeschränktes Wegerecht und die beabsichtigte Wohnanlage ist somit vom Tisch“, freuen sich beide Beklagtenvertreter über den Verfahrensausgang.
Der Verlierer muss den zwei Beklagten je 8000 Euro Prozesskosten ersetzen. Aufgrund des hohen Streitwertes kommen 43.000 Euro Gerichtsgebühren und die eigenen Anwaltskosten dazu. Zugestehen und eintragen lassen müssen die Beklagten allerdings die Dienstbarkeit zu landwirtschaftlichen Zwecken sowie zur privaten Nutzung des Einfamilienhauses.