Mehr als eine halbe Million Euro an Coronastrafen

Rechtsanwalt fordert Rückerstattung auch bereits bezahlter Bußgelder.
Bregenz Es ist eine stattliche Summe, die Personen in Vorarlberg aufgrund einer Verwaltungsübertretung nach dem Covid19-Maßnahmengesetz an Geldstrafen aufgebrummt wurde. Exakt 635.320 Euro fielen zwischen dem 16. März und 14. Mai an Strafzahlungen aus 1482 Verfahren an, die meisten, weil Betroffene den Mindestabstand nicht eingehalten haben sollen. Inzwischen hat der Verfassungsgerichtshof, wie berichtet, einige Bestimmungen der Covid19-Verordnung als rechtswidrig aufgehoben. „Damit müssten alle noch laufenden Verfahren eingestellt werden“, sagt der Bregenzer Rechtsanwalt Helgar Schneider. Er vertritt 38 vorwiegend jugendliche „Coronasünder“.
Schnell Rechtsmittel einlegen
Gleichzeitig fordert er die Rückerstattung von Bußgeldern aus bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren. „Das ist auch eine Frage der Fairness“, betont er. Personen, denen in den vergangenen Tagen ein Strafbescheid ins Haus flatterte, rät Schneider, umgehend Rechtsmittel einzulegen, um zu verhindern, dass die Strafe rechtskräftig wird. Es sei nämlich noch unsicher, ob es eine entsprechende Weisung an die Behörden zur Einstellung aller Verfahren gibt.
Unklare Abstandsdefinition
Helgar Schneider geht davon aus, dass die meisten Betroffenen sich nicht gewehrt und die Geldstrafen bezahlt haben. Alle seine Klienten werden voraussichtlich ungeschoren davonkommen, da wohl alle anhängigen Verfahren, auch jene zwei beim Landesverwaltungsgericht, bald eingestellt werden. Die Strafhöhen lagen zwischen 360 und 550 Euro. Was den Rechtsanwalt ärgert: Fast bei allen Coronastrafen geht es darum, dass den vermeintlichen Missetätern vorgeworfen wird, einen sogenannten öffentlichen Ort betreten zu haben, ohne angeblich den in der Covid19-Verordnung vorgeschriebenen Mindestabstand von einem Meter eingehalten zu haben, die anzeigenden Polizisten aber fast nie Lichtbilder vorlegen konnten, um die Verletzung des Mindestabstands zu prüfen. Schneider kritisiert außerdem, dass die Definition des Begriffs „Abstand“ auch in der Lockerungsverordnung, die nun gilt, unklar formuliert ist. „Wie ist der Abstand zu messen?“, fragt er sich: „Von Zehe zu Zehe oder von Mund zu Mund?“
Keine inhaltliche Prüfung
Nachdem nun Teile der Covid19-Verordnung gekippt wurden, wäre es für Helgar Schneider nur recht und billig, bei der Rückzahlung der verhängten Strafen eine bürgerfreundliche Lösung anzuwenden. Dass jene, die sich – etwa aus Angst vor den Behörden – nicht rechtzeitig wehrten, schlicht Pech gehabt haben, lässt er nicht gelten. Es gebe im Verwaltungsstrafgesetz die Möglichkeit einer „Abänderung und Aufhebung von Amts wegen“, und er merkt an, dass dies auch mit etwas gutem Willen der Behörden im Land möglich wäre. Es brauche dazu nur eine Weisung an die Bezirkshauptmannschaften. Dem Argument, dies sei mit zu viel Arbeit verbunden, kann der Rechtsanwalt ebenfalls nichts abgewinnen. Aus einer Erhebung der Landesregierung gehe nämlich hervor, dass die Bezirkshauptmannschaften die Anzeigen der Exekutivbeamten ganz offensichtlich inhaltlich nicht geprüft hätten, unterstreicht er dies mit Verweis auf eine Quote von 100-Prozent zwischen der Anzahl der Anzeigen und der nachfolgenden Strafen. „Es ist wohl nicht zu viel verlangt, dass die Behörden diese Arbeit der Überprüfung, die sie sich vorher quasi erspart haben, jetzt nachholen“, wird Helgar Schneider deutlich.
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