Jürgen Weiss

Kommentar

Jürgen Weiss

Im Rahmen

VN / 15.09.2020 • 08:30 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Im Großen und Ganzen blieben die Ergebnisse der Gemeindewahlen im Rahmen des Erwartbaren. Dass die Wahlbeteiligung trotz stärkerer Inanspruchnahme der Briefwahl weiter zurückging, entspricht über Corona hinaus einem in Vorarlberg schon länger feststellbaren Trend. Während bei der letzten Landtagswahl in Oberösterreich 82 und in Wien 75 Prozent zu den Urnen gingen, waren es in Vorarlberg letztes Jahr nur mehr 60 %. Der hohe Wert von Oberösterreich hat vermutlich damit zu tun, dass dort Landtags- und Gemeindewahlen am selben Tag abgehalten werden und es damit offenkundig besser gelingt, Interesse für die Wahl zu wecken.

„Auch für die nächsten fünf Jahre stabile Rahmenbedingungen.“

Abgesehen von Lech mit sensationellen 81 Prozent haben selbst knappe Rennen um das Bürgermeisteramt die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler nicht überall bewegen können, sich an der Wahl zu beteiligen. Aber selbst eine Wahlbeteiligung von nur mehr 53 Prozent bringt die Demokratie nicht ins Wanken, stellt jedoch die Parteien vor große Herausforderungen. Offenkundig haben nicht alle Spitzenkandidaten ihr Potenzial an Wählerinnen und Wählern ausreichend motivieren können. Ernsthaft diskutiert werden sollte, ob die restriktive Handhabung der Briefwahl (nur bei Krankheit oder Abwesenheit von Vorarlberg) noch zeitgemäß ist. Dass in Liechtenstein die Stimmbeteiligung durchwegs bei 80 Prozent liegt, hat sicherlich auch damit zu tun, dass dort bereits 90 Prozent der Stimmen brieflich abgegeben werden.

Auffallend ist, dass die Zahl ungültiger Stimmen auf sechs Prozent angestiegen ist, obwohl die bisherige häufige Fehlerquelle des gemeinsamen Stimmzettels weggefallen war. Erstmals wurden getrennte Stimmzettel für den Bürgermeister und die Gemeindevertretung verwendet. Dieser ungewöhnlich hohe Anteil (zehnmal so viel wie bei der Landtagswahl) kann nur am Rande auf die Wahlkartenpanne in Feldkirch zurückgeführt werden. Das wird man noch näher analysieren müssen. Die befürchteten nachteiligen Auswirkungen getrennter Stimmzettel auf den Effekt, dass Spitzenkandidaten ihre Parteien mitziehen, sind durchwegs ausgeblieben.

Die Zahl notwendiger Stichwahlen für das Bürgermeisteramt hält sich mit sechs im Rahmen, es waren auch schon einmal fünf. Bei den meisten dieser Gemeinden war eine Stichwahl nicht schwer vorherzusagen, wenngleich die Poleposition der Herausforderer in Hard und Lech überraschend ist. Umgekehrt ist bemerkenswert, dass in Hörbranz, Schwarzenberg und Zwischenwasser keine Stichwahl notwendig ist, weil der Herausforderer den Bürgermeister bereits im ersten Anlauf aushebeln konnte. Insgesamt gesehen hat die Kommunalpolitik auch für die nächsten fünf Jahre stabile Rahmenbedingungen.

Jürgen Weiss

juergen.weiss@vn.at

Jürgen Weiss vertrat das Land als Mitglied des Bundesrates zwanzig Jahre lang in Wien und gehörte von 1991 bis 1994 der Bundesregierung an.

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