Coronastrafen: So wird der Staat selbst zur Kasse gebeten

VN / 29.10.2020 • 19:00 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Coronastrafen: So wird der Staat selbst zur Kasse gebeten
Viele von der Polizei angezeigte Verstöße gegen das Coronagesetz führten zu Verwaltungsstrafverfahren, die von den Bezirkshauptmannschaften eingestellt wurden. APA

Zahlreiche unzulässige Verwaltungsstrafverfahren wegen Covid-19-Verordnung eingestellt.

Schwarzach Zwischen dem 16. März und 14. Mai dieses Jahres fielen für Vorarlberger Bürger aufgrund von Verwaltungsübertretungen exakt 635.320 Euro an Strafzahlungen aus 1482 Verfahren an. Meistens ging es darum, dass die Betroffenen den Mindestabstand nicht eingehalten haben sollen (die VN berichteten).

So auch im Fall eines 19-jährigen Lauterachers, der sich Anfang April auf einer Sitzbank angeblich zu nahe an seinem Gegenüber aufgehalten hatte. Eine vorbeikommende Polizeistreife „ertappte“ ihn dabei und brachte ihn zur Anzeige. Schon bald flatterte eine Verwaltungsstrafe in Höhe von 450 Euro bei dem jungen Mann ein. Der ließ das nicht auf sich sitzen. Mit Hilfe des Bregenzer Rechtsanwalts Helgar Schneider legte er Beschwerde gegen die Verfügung ein. Mit Erfolg. Das Strafverfahren wurde von der Bezirkshauptmannschaft nun eingestellt, weil es unzulässig war.

Amtshaftungsansprüche

Doch so einfach ist die Sache für die Behörden nicht erledigt. In vielen Fällen hätte von vornherein kein Strafverfahren eingeleitet werden dürfen, so dass die ehemals Beschuldigten vom Staat wegen der angefallenen Rechtsanwaltskosten Schadenersatz verlangen.

Dies wird auch von Rechtsanwalt Schneider so gesehen: Ausnahmsweise kann im Wege einer Amtshaftung Schadenersatz vom Staat verlangt werden, wenn das Verfahren von vornherein unzulässig war und die Behörden eine unvertretbare Rechtsansicht hatten. So hatte der Jugendliche in Götzis, der sich angeblich an einem öffentlichen Ort aufgehalten hatte, tatsächlich aber auf einer privaten Baustelle war (die VN berichteten), nicht nur über Schneider eine Verfahrenseinstellung erreicht, sondern im Rahmen der Amtshaftung auch den Ersatz seiner Anwaltskosten von 940 Euro.

Aber auch in Fällen, wo sich die Beschuldigten zwar an einem öffentlichen Ort aufgehalten hatten, aber der Mindestabstand von einem Meter unbestrittenermaßen eingehalten wurde, akzeptiert die Finanzprokuratur grundsätzlich eine Amtshaftung, erklärt der Anwalt.

Bisher größtenteils eingestellt

Von insgesamt 38 Verfahren wegen behaupteter Verstöße gegen die Covid-19-Verordnung, die Schneider in den letzten Monaten betreut hat, sind bis dato 32 Fälle eingestellt worden. Aber: „Einige Sachen sind noch nicht ganz fertig: Bei einigen Fällen habe ich wegen der Kosten Amtshaftungsansprüche geltend gemacht“, sagte der Rechtsanwalt den VN.

Auch die Bregenzer Rechtsanwältin Anita Heinzle kann berichten, dass sämtliche Verwaltungstrafverfahren gegen ihre fünf Mandanten eingestellt worden sind.

Es dürfte in Vorarlberg wohl noch zahlreiche Fälle geben, bei denen die Behörde von vornherein kein Verwaltungsstrafverfahren einleiten hätte dürfen, sodass hier noch weitere Amtshaftungsansprüche auf die Republik zukommen könnten.

Parlamentarische Anfrage

Wie hoch die Zahl dieser Schadenersatzansprüche ist, möchte übrigens aufgrund der VN-Berichterstattung der Vorarlberger Nationalratsabgeordnete Reinhold Einwallner (SPÖ) in einer an Gesundheitsminister Rudolf Anschober gestellten parlamentarischen Anfrage wissen, um herauszufinden, wie viel der österreichische Steuerzahler wegen rechtswidriger Verfahren zu berappen hat.