Vorarlbergs erfolgreichster Tennisspieler als Ratgeber auf höchster Ebene

Julian Knowle (46) bei den ATP Finals als Coach der French-Open-Sieger Krawietz/Mies.
London Julian Knowle hat sämtliche Höhen und Tiefen einer Sportlerkarriere erlebt und ist unbestritten der erfolgreichste und höchstdekorierte Tennisspieler Vorarlbergs. Im Juli 2004 konnte sich der gebürtige Harder an der Seite seinen serbischen Doppelpartners Nenad Zimonjic beim Rasenklassiker in Wimbledon als zweiter Österreicher der Geschichte nach Thomas Muster für ein Finale eines Grand-Slam-Turniers qualifizieren. Drei Jahre und drei Monaten nach der 1:6-, 4:6-, 6:4- und 4:6-Finalniederlage gegen Jonas Björkmann/Todd Woodbrigde (Swe/Aus) in Wimbledon gelang dann am 7. September 2007 bei den US Open in New York der ganz große Coup: Zusammen mit dem Schweden Simon Aspelin erfüllte sich Knowle im Alter von 33 Jahren den großen Traum und kürte sich mit einem 7:5-, 6:4-Erfolg im Endspiel gegen die Tschechen Lukas Dlouhy/Pavel Vizner zum US-Open-Champion. Es war der erste Doppeltitel für Österreichs Tennis auf Grand-Slam-Ebene und der zweite nach dem Einzeltriumph von Muster 1995 bei den French Open.
Beim Masters 2007 im Finale
Im selben Jahr zogen Knowle und Aspelin beim ATP-Masters in Schanghai in souveränen Manier ins Endspiel ein, musste dort aber Mark Knowles/Daniel Nestor (Bah/Can) nach einem 2:6, 3:6, 2:6 den Vortritt lassen. Daneben hat Knowle im Verlauf seiner 1992 begonnenen und 2017 beendeten Karriere insgesamt 19 Titel (mit zehn verschiedenen Partnern) auf ATP-Ebene geholt, stand zudem 25 Mal in einem Endspiel und nahm zwischen 2001 und 2017 insgesamt 63 Mal an einem Grand-Slam-Turnier teil.

Seit Beginn des Jahres hat Vorarlbergs Sportler des Jahres 2007 die Fronten gewechselt und baut sich als Touring-Coach ein berufliches Standbein auf. Bei den aktuell in London über die Bühne gehenden ATP Finals betreut der zweifache Vater die Deutschen French-Open-Sieger (2019 und 2020) Kevin Krawietz/Andreas Mies. „Ich kenne Kevin aus meiner aktiven Zeit und bei den US Open gab es die erste Anfrage. Bei den French Open haben wir dann entschieden, dass ich sie bei der Turnieren in Köln, der Wiener Stadthalle und bei den ATP Finals betreue“, erklärt der 46-Jährige.

Parallel dazu läuft noch bis Jahresende die im April begonnene Zusammenarbeit mit Dennis Novak. „Nach Beendigung meiner aktiven Karriere war für mich immer klar, dass ich dem Tennissport verbunden bleiben möchte. Ich glaube es gibt nichts, was ich in meiner Sportlerlaufbahn noch nicht am eigenen Leib erleben durfte oder erleiden musste. Diese Erfahrung möchte ich jetzt als Coach weitergeben.“
Nur temporäre Verpflichtungen
Von der ersten Minute an war klar, dass Knowle die Coachingtätigkeit nicht das gesamte Jahr ausüben wird, sondern nur über einen gewissen Zeitraum: „Ich war seit meinem Einstieg in das Profigeschäft 1992 über 300 Tage im Jahr auf der ganzen Welt unterwegs. Im fortgeschrittenen Alter verschieben sich dann etwas die Prioritäten. Ich habe zwei Kinder und deshalb ist es für mich im Moment keine Überlegung. Natürlich darf man niemals nie sagen. Am liebsten wäre mir, wenn sich im engeren Umfeld meines Wohnsitzes Wien zu einer stationärer Anstellung kommen würde und ich nicht mehr so viel auf Reisen sein müsste.“
Sechs Monate entweder Bubble oder Lockdown
Knowle macht kein Hehl daraus, dass die derzeitige Situation mit der Coronapandemie sowohl bei der Arbeit auf dem Platz als auch abseits des Courts extrem kräfteraubend ist und richtig an die Substanz geht: „In den letzten sechs Monaten war ich entweder in einer Bubble oder im Lockdown. Die wöchentlichen Coronatests, die stete Ungewissheit ob und wie es weitergeht sowie der eingeengte Bewegungsradius zwischen Hotelzimmer und Tennisplatz zehren an den Kräften. Gleichzeitig bin ich glücklich darüber, wenigstens einer Arbeit nachgehen zu können und versuche, die Arbeiten so professionell wie möglich zu erledigen. Es gibt andere Bereiche, in denen Menschen nicht ihren Job ausüben können.“

Was Knowle im kommenden Kalenderjahr tut, ob es weiter mit Dennis Novak arbeitet, ob es zu einem Restart in der im Frühjahr aufgrund einer Verletzung gestoppten Zusammenarbeit mit dem Schweizer Marc-Andrea Hüsler (ATP-274) kommt oder ob sich etwas völlig Neues ergibt, soll in aller Ruhe in den Wochen nach dem Saisonfinale in London entschieden werden. „Ich habe immer gesagt, wenn ich etwas mache, dann mache ich es aus Überzeugung, anständig und zu hundert Prozent.“
Julian Knowle
Der gebürtige Harder, seit 20 Jahren in Wien wohnhaft, war zwischen 2001 und 2017 bei insgesamt 63 Grand-Slam-Turnieren im Einsatz.
Geboren 29. April 1974
Familienstand zweifacher Vater (Tochter Alicia, Sohn Jamie)
Beste Weltranglistenplatzierung Doppel: 6. (7. Jänner 2008); Einzel: 86. (15. Juli 2002)
Karriere-Preisgeld (Brutto) 3,048 Mill. Dollar (rund 2,574 Mill. Euro)
Karriere-Bilanz ATP-Tour Doppel: 410:368 Siege; Einzel: 10:33
ATP-Titel (19): Bastad (2017), Halle, Auckland (2014), Casablanca, Zagreb (2013), Kitzbühel (2012), Tokio, New Haven (2009), US Open, Bastad, Halle, Pörtschach (alle 2007), Casablanca (2006), München, St. Petersburg (2005), Chennai, St. Petersburg (2003), Umag, Kopenhagen (2002)
ATP-Finals (25): u. a Doha (2015, mit Philipp Oswald), Stadthalle Wien (2014, 2013, 2012, 2009, 2006), Wimbledon (2004)
Davis-Cup: 1999 (4:1 gegen Portugal) bis 2017 (1:3 gegen Weißrussland)
Davis-Cup-Bilanz: Doppel 11 Siege/13 Niederlagen, Einzel ein Sieg/kein Niederlage