Endlich
In den sozialen Medien kursiert derzeit eine Witzzeichnung, in der Donald Duck – die legendäre Walt Disney-Figur – beim Standesamt eine Änderung seines Vornamens verlangt. Und USA wird neuerdings als Abkürzung von „Unvereinigte Staaten von Amerika“ beschrieben. Das ist natürlich in Wirklichkeit alles nicht so lustig.
Wenn morgen das unrühmliche Kapitel der Präsidentschaft Donald Trumps endlich zu Ende geht, hinterlässt er innen- und auch weltpolitisch einen Scherbenhaufen. Mit den bürgerkriegsähnlichen Vorfällen beim Sturm auf das Parlament und den vorangegangenen Vorbereitungen, im Bundesstaat Michigan das Parlamentsgebäude zu besetzen und Gouverneurin Whitmer zu entführen, werden die USA noch lange beschäftigt sein. Das von Trump geschürte Feuer wird bei seinen Anhängern noch lange brennen. Wenigstens haben die Wähler durch die Mehrheit des neuen Präsidenten Joe Biden in beiden Parlamentskammern dafür gesorgt, dass dort klare Entscheidungen fallen und nicht von den nach wie vor zahlreichen Anhängern Trumps unter den Abgeordneten blockiert werden können. Ein Präsident ohne Parlamentsmehrheit hätte in dieser Situation gerade noch gefehlt.
„Grund zur Überheblichkeit haben wir allerdings nicht.“
Auch für uns interessant ist die Frage, wie so etwas passieren konnte. Offenkundig sind in der früheren Vorzeigedemokratie innerparteiliche Kontrollmechanismen durch autoritäre Führung und kritiklose Gefolgschaft zurückgedrängt worden. Das legte den Finger auf die Wunde, dass sich die USA zu einer Eliten-Demokratie entwickelt haben. Ohne erhebliche finanzielle Mittel und einflussreiche Netzwerke im Hintergrund wird man nicht einmal in den einzelnen Bundesstaaten als Kandidatin oder als Kandidat aufgestellt. Dazu kommt eine durch das Zweiparteiensystem vorgegebene Polarisierung und soziale Medien, die sich völlig kritiklos als Sprachrohr Trumps missbrauchen ließen. Missbraucht müssen sich nach dem Sturm auf das Kapitol auch jene amerikanischen Kirchenmänner fühlen, die ihm aus blinder Freude an einem konservativen Präsidenten fleißig das Weihrauchfass geschwungen haben.
Grund zur Überheblichkeit gegenüber den USA haben wir in Europa allerdings nicht. Immerhin kam es auch in Berlin zu einem Sturm auf das Parlamentsgebäude sowie zur Belästigung von Abgeordneten und die verbale und körperliche Gewalt bei Demonstrationen nimmt immer mehr zu. Auch schräge (Berlusconi in Italien) oder autoritäre Regierungschefs (Orban in Ungarn) hatten bzw. haben wir in Europa. Und die Wertschätzung des Parlaments war auch in Österreich schon höher als in den letzten Jahre.
Jürgen Weiss
juergen.weiss@vn.at
Jürgen Weiss vertrat das Land als Mitglied des Bundesrates zwanzig Jahre lang in Wien und gehörte von 1991 bis 1994 der Bundesregierung an.
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