Wider die Hoffnungslosigkeit
Wir befinden uns im 12. Monat der Pandemie. Angesichts steigender Zahlen musste ganz Österreich wegen ausbleibender Öffnungsschritte vertröstet werden. Ganz Österreich? Nein!
Auch und vor allem weil es für die restlichen 95 Prozent der Österreicher nichts unmittelbar Hoffnungsfrohes zu berichten gab, kam dem kleinen Vorarlberg in der Regierungskommunikation besondere Aufmerksamkeit zu.
Regionalität schätzen
Entgegen den Galliern haben die Vorarlberger zwar keinen Zaubertrank gegen die Pandemie, vor allem aber eine günstigere Ausgangsposition zum aktuellen Zeitpunkt: Wir sind eingekastelt. Polizeikontrollen für Einreisende am Arlberg, Quarantänevorschriften für Einreisende aus der Schweiz und Deutschland. Dies ist der größte Unterschied zu allen anderen Bundesländern, wenn man von den niedrigsten Ansteckungsraten der gesamten Republik absieht. Eine regionale Beurteilung der Gefahrensituation war schon der hehre Wunsch bei der von der Bundesregierung so jämmerlich umgesetzten Corona-Ampel. Nun gibt es einen neuen Anlauf.
Nur weil die Inzidenz in Niederösterreich oder Wien an der 200er-Marke kratzt, muss das folgerichtig nicht heißen, dass im 700 Kilometer entfernten Vorarlberg dieselben Maßnahmen sinnvoll und angesagt sind. Es macht einen Unterschied, ob die britische Mutation einen Anteil von 70 % (Wien) oder 27 % (Vorarlberg) am Gesamtgeschehen hat.
Kinder in die Mitte
So ist längst Überfälliges in greifbarer Nähe: Dank regelmäßiger Tests dürfen Kinder und Jugendliche wieder zum Sport, dürfen ihre kulturellen Einrichtungen aufsuchen – ein so notwendiger Schritt und ein klares Signal in Sachen Prioritätensetzung, endlich die vernachlässigten Kinder in unsere Mitte zu holen. Sie durften ihre Freunde nicht sehen, monatelang nicht in die Schule, sind von der Situation sowieso verunsichert – und zugelassener Impfstoff ist für Kinder noch lange nicht in Sicht.
Gastronomie als Perspektive
Dass Vorarlberg bei der Gastronomie mit einer Vollöffnung vorangeht und dies wissenschaftlich begleiten will, gibt zu einem sehr schwierigen Zeitpunkt dieser Pandemie das, was der Gesellschaft insgesamt fehlt: eine Perspektive. Die Perspektive nach einem Schluck Normalität, nach einem Happen alter Gewohnheit.
Der wichtigste Satz der gesamten Pressekonferenz kam von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne): „Die Details werde ich mit dem Landeshauptmann in den kommenden Tagen besprechen.” Denn der Teufel liegt bei solchen Regeln im Detail.
Das alles ist ein Experiment. Ausgang ungewiss. Es ist eine Entscheidung, zu der Mut notwendig war. Und es kommt
darauf an, ob es gelingt, dass nicht nur die Braven das Testen ernst nehmen, ob wir der alemannischen Gründlichkeit alle Ehre machen.
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