Epilepsie oder Leben mit einem Gewitter im Kopf

VN / 26.03.2021 • 11:00 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Epilepsie oder Leben mit einem Gewitter im Kopf
Florian Schwendinger ist Neurologe und auf Epilepsie spezialisiert. KHBG/MATHIS

Der Purple Day am 26. März will aufklären und Ängste abbauen.

Feldkirch Epilepsie: eine häufige, aber immer noch weitgehend tabuisierte Erkrankung. Betroffene, deren Zahl in Vorarlberg mit 3000 bis 4000 angegeben wird, reden oft nicht gerne darüber, anderen macht sie Angst. Die gute Nachricht von Facharzt Florian Schwendinger: „Zwei Drittel der Patienten können mit Medikamenten gut eingestellt werden und führen ein weitgehend anfallsfreies Leben.“ Dass Epilepsie nichts ist, wovor sich Menschen fürchten müssen, will auch der „Purple Day“ vermitteln. Die internationale Kampagne findet jedes Jahr am 26. März statt und möchte über Epilepsie aufklären bzw. Ängste nehmen.

Spezialambulanz geplant

Dieses Anliegen verfolgt auch Primar Philipp Werner, Leiter der beiden Abteilungen für Neurologie in den Landeskrankenhäusern Feldkirch und Rankweil. „Unser Ziel wäre es, eine Spezialambulanz als Anlaufstelle für alle Betroffenen einzurichten“, skizziert er das Vorhaben, das er gemeinsam mit Florian Schwendinger umsetzen möchte. Der junge Neurologe arbeitet seit 2017 im Landeskrankenhaus Feldkirch. Schon während seiner Tätigkeit im Wiener AKH widmete er sich intensiv dieser Krankheit, die Laien gerne salopp als „Gewitter im Kopf“ erklärt wird. So in etwa spielt sich ein Anfall auch tatsächlich ab. Dabei kommt es zu einer überschießenden elektrischen Entladung von Nervenzellen im Gehirn, die zu einer kurzen Funktionsstörung der betreffenden Nervenzellverbände führt. „Das plötzliche und unvorhersehbare Auftreten ist es, das Angst macht“, erklärt Schwendinger.

Die Leute hätten meist das Bild von zuckenden, schäumenden, sich am Boden wälzenden Körpern vor Augen. Dabei hat die Epilepsie viel mehr Gesichter. Das Aussehen von Anfällen richtet sich nämlich danach, welche Nervenzellverbände von der Entladung erfasst werden. Das macht eine Einordnung auch für Ärzte teilweise schwierig. „Es gibt Anfälle mit Zeichen von Verwirrtheit, wobei die Betroffenen selber den Anfall häufig nicht mitbekommen“, nennt Florian Schwendinger ein Beispiel. Zuweilen würde ein Anfall aber auch als psychische Reaktion verkannt.

Langer Weg zur Diagnose

Ins LKH Feldkirch kommen bislang nur Akutfälle. Die meisten anderen Betroffenen werden von niedergelassenen Neurologen betreut und sind medikamentös gut eingestellt. Bei etwa einem Drittel der Patienten kommt es trotz regelmäßiger Medikamenteneinnahme weiterhin zu epileptischen Anfällen. Bei diesen Patienten kann eine Gehirnoperation helfen. Ob so ein Eingriff möglich ist, sollte überlegt werden, wenn zumindest zwei medikamentöse Versuche nicht zu Anfallsfreiheit führen. Das nächste epilepsiechirurgische Zentrum, das solche Operationen durchführt, ist in Innsbruck. „Je früher eine Abklärung erfolgt, umso besser“, sagt Schwendinger. Oft dauert es aber lange, bis die richtige Diagnose gestellt wird und die entsprechende Behandlung eingeleitet werden kann.

Epilepsie beginnt oft in der Kindheit. In vielen Fällen wächst sich die Anfallsneigung aber aus. Ein nächster Peak ist im höheren Erwachsenenalter gegeben. Ursachen können Vernarbungen im Gehirn sein. Ein Problem eint alle: Die Krankheit geht mit Einschränkungen einher, zum Beispiel beim Autofahren. Ebenso sollte die Erkrankung bei der Berufswahl berücksichtigt und Tätigkeiten mit hohem Verletzungsrisiko vermieden werden. Dazu zählt auch die eine oder andere Sportart. „In jedem Fall sollten Bezugspersonen wie Pädagogen oder gegebenenfalls auch Arbeitgeber informiert werden“, betont Florian Schwendinger. Einem Kinderwunsch steht die Diagnose hingegen nicht im Wege. „Es ist jedoch zu empfehlen, dass sich Paare vorher mit einem Neurologen besprechen. Unter Umständen kann eine Therapieumstellung erforderlich sein“, sagt Schwendinger.

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