Ziemlich entgeistert
Wie ein Albtraum überzog die Pandemie das Land. Jetzt soll sie weichen. Es kann nicht schnell genug gehen. Weg mit den Masken, Abstände verringern! Wer geimpft ist, muss nicht mehr testen gehen. Mit flatternden Fahnen eilen wir zurück ins Leben. Sie fahren doch fort heuer, in Urlaub? Am Lido klappen sie schon die Liegestühle auf. Selbst von den Reisebüros ist die beklemmende Stille gewichen, obwohl die vor Kurzem noch als zwangsläufige Opfer der Pandemie galten.
Dass der Himmel streikt – egal! Es gießt in Strömen, aber in jeder Pause flaniert das Volk durch die Stadt. Herausgeputzt, man will sich wieder zeigen. Menschen, die sich durch ihre Erscheinung definieren, haben lange darben müssen. Gewiss, das allzu aufgehübschte Bild auf Social Media zerbirst dabei mitunter. Andererseits lernt man so neue Leute kennen: So sehen die also wirklich aus, wispert es im Verborgenen.
Ja, hat’s der Heilige Geist am Ende nicht mehr drauf? Der bringt doch Ordnung ins Chaos! Das ist sein Job. Der Schöpfungsbericht erzählt davon, bildgewaltig: „Braus Gottes schwingend über dem Antlitz der Wasser“ – so hat das Martin Buber übersetzt. Pfingsten wäre sein Einsatz gewesen. Aber wir hatten keine Zeit. Wie keuchende Läufer hasten wir über die Ziellinie. Vielleicht schaut er uns ja nach, der Heilige Geist und denkt sich: Sollen sie ihre Suppe halt selber auslöffeln! Nett wäre das nicht, aber allzu menschlich. Wie so vieles in diesen Tagen.
Thomas Matt
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