Das Stehaufmännchen des Rätikons: Die Totalphütte

VN / 12.08.2021 • 18:37 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Das Stehaufmännchen des Rätikons: Die Totalphütte
Hüttenwirt Christian Beck ist froh, dass die Totalphütte wieder offen hat. VN/JUN

Nachdem die Totalphütte von einer Lawine fast gänzlich zerstört wurde, erlebt sie jetzt ihre Renaissance.

Brand Die letzten zwei Jahre waren wahrlich nicht die einfachsten der Totalphütte, die im Rätikon oberhalb des Lünersees und unterhalb der Schesaplana auf 2384 Höhenmeter liegt. Im Jänner 2019 begruben zwei Staublawinen die Alpenvereinshütte unter sich. Es müssen zwei gewesen sein, ist sich Hüttenwirt Christian Beck sicher. Eine allein hätte nicht so einen gravierenden Schaden anrichten können. „Die wäre sonst an der Hütte vorbeigerauscht“, sagt Beck.

Nach dem Lawinenabgang war die Totalphütte völlig zerstört. <span class="copyright">Alpenverein Vorarlberg</span>
Nach dem Lawinenabgang war die Totalphütte völlig zerstört. Alpenverein Vorarlberg

Seine Theorie: Zwei Staublawinen gingen gleichzeitig unterhalb der Schesaplana und des Zirmenkopfes ab, türmten sich dann übereinander auf, sodass die eine Lawine das Luftpolster der anderen Lawine nutzen konnte, um so mühelos über das 100 Meter tiefe Loch, das sich zwischen Berg und Hütte auftut, zu rauschen und die Totalphütte mit voller Wucht treffen zu können. „Wir hatten Unmengen von Schnee, es hat tags und nachts durchgeschneit. Sechs bis sieben Meter hoch waren die Abbrüche des Schnees, weil der Wind tagelang aus der gleichen Richtung kam. Das war nicht normal“, erinnert sich Beck an den schneereichen Winter zurück.

Auch die Küche wurde komplett erneuert. <span class="copyright">VN/JUN</span>
Auch die Küche wurde komplett erneuert. VN/JUN
Unter anderem werden in der neuen Küche diese leckeren Käsespätzle zubereitet. <span class="copyright">VN/JUN</span>
Unter anderem werden in der neuen Küche diese leckeren Käsespätzle zubereitet. VN/JUN

Einjähriger Notbetrieb

Der Anblick der zerstörten Hütte glich einer Explosion. Nur der vor sieben Jahren neu errichtete Anbau im hinteren Teil der Hütte hielt der Lawine stand. Der komplette vordere Teil musste jedoch abgerissen und neu aufgebaut werden. „Die Wände waren schief, überall hatten sie Risse. Wir mussten die Wände mit Platten stützen, sonst hätten wir den einjährigen Notbetrieb nicht aufrechterhalten können“, erzählt der Hüttenwirt, der mit seiner Familie auch noch die Palüdhütte bewirtschaftet. Denn ungeachtet dessen, dass über die Hälfte der Tot­alphütte einem Schlachtfeld glich, hatte sie weiterhin für Wanderer geöffnet. „Wir hatten eine provisorische Küche und einen Ausschank.“ In der noch vorhandenen Stube konnte man essen. Zudem wurden zwölf Container mit insgesamt rund 30 Betten aufgestellt. Da zu der Zeit aufgrund von Umbauarbeiten auch keine Seilbahn fuhr, musste Hunderte Male der Hubschrauber fliegen.

Wissenswertes gibt es im Wisswak zu lesen.
Wissenswertes gibt es im Wisswak zu lesen.
Die Stube von innen. <span class="copyright">VN/JUN</span>
Die Stube von innen. VN/JUN

Zwei Jahre, was auch der Coronapandemie geschuldet war, dauerte der Wiederaufbau der Totalphütte, der rund 3,6 Millionen Euro gekostet hat. Seit Juli letzten Jahres hat die Hütte wieder ohne Einschränkungen mit neuer Küche, Stube und modernen Vier- und Acht-Bett-Zimmern geöffnet. Nun können 98 Wanderer dort übernachten, bis zu 200 Leute auf der Terrasse bewirtet werden. Neben der Hütte steht zudem das Wisswak, ein kleiner Ausstellungsraum, in dem das Lawinenunglück und der Wiederaufbau der Totalphütte bildlich und textlich auf verschieden großen Tafeln festgehalten wurde.

Die Totalphütte liegt am Fuße der Schesaplana. <span class="copyright">VN/JUN</span>
Die Totalphütte liegt am Fuße der Schesaplana. VN/JUN

Felssturz und schlechtes Wetter

Doch nicht nur mit dem Lawinenunglück hat die Totalphütte zu kämpfen gehabt. Heuer gab es einen gewaltigen Felssturz am Lünersee, wobei auch die Stromleitung zur Totalphütte gekappt wurde, weshalb sich der Start in die Sommersaison nach hinten verschob. Auch das eher schlechte Wetter und nicht minder Corona machen dem Hüttenwirt zu schaffen. Seit sechs Jahren ist Christian Beck schon für die Totalphütte zuständig. Eigentlich ist der Brandner gelernter Koch. Nachdem sich er, seine Frau und seine zwei Kinder (samt Lebensgefährten) 2010 selbstständig gemacht und die Palüdhütte übernommen hatten, brauchten sie schon bald eine zweite Aufgabe. „Im Sommer war zu wenig Arbeit für die ganze Familie, also haben wir noch die Totalphütte übernommen“, sagt Beck. In seiner Freizeit schnitzt er gerne und baut Stühle aus Wild- und Schwemmholz. Einer steht sogar in der neuen Stube der komplett aus heimischem Fichten- bzw. Lärchenholz gebauten Totalp­hütte, die einst als Baubaracke für Stollenarbeiter diente. VN-JUN

Christian Beck baut Stühle selbst.
Christian Beck baut Stühle selbst.

Die Totalphütte

Baujahr 1955, zunächst als Baubaracke für die Stollenarbeiter der illwerke vkw errichtet

Hüttenwirt seit 2015 Christian Beck

Wiederaufbau zwei Jahre lang, 3,6 Millionen Euro Kosten, 300.000 Euro davon für Flugstunden

Kapazität 4er- und 8er-Zimmer plus Mehrbettlager, 98 Schlafplätze insgesamt