Kirche rüstet sich für mögliche Fluchtwelle aus Afghanistan

VN / 26.08.2021 • 05:30 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Kirche rüstet sich für mögliche Fluchtwelle aus Afghanistan
Landesbischof Benno Elbs appelliert an Solidarität und Geschwisterlichkeit. VN/Paulitsch

Diözesanbischof Benno Elbs ruft auch die Politik zum Helfen auf.

Feldkirch Die Situation in Afghanistan hat die Kirche alarmiert. Sie trifft bereits Vorkehrungen, sollte eine größere Fluchtbewegung einsetzen. Alle Pfarrgemeinden wurden angeschrieben, um Optionen für eine konkrete Hilfe auszuloten. „Wir bereiten uns so vor, dass wir sagen können, wir können unser Möglichstes tun“, bestätigt Bischof Benno Elbs. Gleichzeitig ruft er die Politik auf, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um den betroffenen Menschen zu helfen.

Was fühlen Sie angesichts der Bilder, die uns täglich aus Afghanistan erreichen?

Elbs Die Bilder erschüttern. Zugleich erinnern sie uns als internationale Gemeinschaft aber auch an unsere Verantwortung, die wir gegenüber den Menschen in Afghanistan haben. Ich erinnere an die letzte Enzyklika von Papst Franziskus Fratelli tutti, in der er den Gedanken der einen Menschheitsfamilie sowie die unabdingbaren Werte menschlicher Geschwisterlichkeit betont. Diese Geschwisterlichkeit gilt es jetzt international zu leben. Niemand – keine Einzelpersonen, keine Kultur und kein Volk – darf von Solidarität und Nächstenliebe ausgeschlossen werden.

Was braucht es dazu?

Elbs Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat meines Erachtens das Richtige gesagt: Es braucht eine Konzentration der Kräfte, weil in Afghanistan derzeit ohne Amerika, die G 7 und die EU gar nichts geht. Der Westen muss in dem verbleibenden Zeitfenster noch retten, was zu retten ist. Alle anderen Fragen stellen sich danach.

Wie beurteilen Sie die Haltung der österreichischen Bundesregierung zur Aufnahme von Menschen aus Afghanistan bzw. Abschiebung von Afghanen?

Elbs Ich bin der Überzeugung, dass die Verantwortlichen auch bei uns sich der humanitären Verantwortung bewusst sind. Das hat die Vergangenheit gezeigt. Deshalb bin ich voller Zuversicht, dass dies auch in Zukunft so sein wird. Die Diskussion um Abschiebungen halte ich für eine Scheindebatte, weil sich die Frage derzeit nicht stellt.

Was ist Ihre Botschaft an die Politik?

Elbs Angesichts der humanitären Katastrophe in Afghanistan, aber auch in vielen anderen Ländern dieser Welt bitte ich die politisch Verantwortlichen in Österreich, aber auch die internationale Gemeinschaft, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um den betroffenen Menschen zu helfen. Wir brauchen jetzt entschiedenes Handeln, um Menschen vor drohender Folter und Hinrichtung zu schützen. Wie in den vergangenen Jahren steht die Kirche selbstverständlich auch jetzt zur Verfügung, wo Unterstützung benötigt wird.

Wie kann die Kirche helfen?

Elbs Indem sie bereitsteht für den Fall, dass Menschen konkrete Hilfe brauchen. Vorarlberg fand bereits früher einen guten Umgang mit Geflüchteten. Daran hatten Kirche, Caritas und Pfarrgemeinden einen sehr großen Anteil, ebenso die Zusammenarbeit mit der Landespolitik. Es gibt diese Gastfreundschaft in den Herzen der Menschen. Wir können mit Quartieren, mit Unterstützung, mit Integration helfen.

Ist eine mögliche neuerliche Fluchtbewegung aus Afghanistan schon Thema in der Kirche?

Elbs Ja, ich habe bereits alle Pfarrgemeinden angeschrieben, um auszuloten, wie konkret geholfen werden kann, wo gibt es Optionen, sprich Quartiere. Wir bereiten uns so vor, dass wir sagen können, wir können unser Möglichstes tun.

Welche Chancen hat Afghanistan unter den Taliban?

Elbs Ich habe diesbezüglich sehr große Sorge, aber eines muss gesagt werden: Es geht nicht ohne den Islam. Der Islam ist Teil der Lösung. Die entscheidende Frage wird sein, wer sich in der islamischen Welt durchsetzt. Wir müssen alle alles tun, damit die aufgeklärten Muslime, die die Trennung von irdischem und göttlichem Gesetz als Bedingung für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte akzeptieren, Unterstützung erhalten. Da ist die internationale Gemeinschaft gefordert. Das Problem Afghanistan lässt sich nicht von außen lösen. Es geht nur mit den Menschen, die dort sind, und da spielt der Islam die Schlüsselrolle. Gleichzeitig wird es den Dialog mit jenen, die an der Macht sind, brauchen. Das wird viel Sensibilität erfordern, vor allem aber, und das lebt Papst Franziskus vor, großen Respekt auch jenen gegenüber, die anders denken.