Von der Kränkung zur Katastrophe

ORF-Dramaserie hat Sachbuch von Reinhard Haller als Grundlage.
Feldkirch Als einer der wenigen kennt er die Lösung schon, wird sie aber natürlich nicht verraten. Schließlich soll die Spannung, die Fernsehserien zumeist innewohnt, die Zuschauer vor dem Bildschirmen halten. Was Gerichtspsychiater Reinhard Haller zur Verfilmung seines Buchs „Die Macht der Kränkung“ sagen darf: „Der Inhalt ist gut umgesetzt worden“, und mit einem Schmunzeln merkt er noch an: „Dass es als Filmthema aufgegriffen wurde, hat mich zumindest nicht gekränkt.“ Morgen, Sonntag, feiert die ORF/ZDFneo-Dramaserie „Die Macht der Kränkung“ um 20:15 Uhr auf ORF 2 ihre Premiere. Die sechs Folgen zeichnen die Vorgeschichte eines Amoklaufs in einem Einkaufszentrum nach, wobei alle Protagonisten mit einer tiefsitzenden Kränkung zu kämpfen haben. Bei einem von ihnen entladen sich Wut, Verzweiflung und Ausweglosigkeit auf tödliche Weise.
Kleine Dinge als Auslöser
Reinhard Haller bekam in dem Drama eine Gastrolle. „Ich musste nicht viel tun, nur ab und an im Hintergrund vorbeihuschen, wie das bei Hitchcock-Filmen oft zu sehen ist“, beschreibt er seinen Part. Es gab auch keine langen Überlegungen, als Drehbuch-Autorin Agnes Pluch mit ihrem Anliegen bei ihm vorstellig wurde. „Ich habe mich vorher nur gefragt, ob es möglich ist, so ein Thema mit filmischen Mitteln darzustellen“, erzählt Reinhard Haller. Nach einigen Gesprächen war er überzeugt: „Wenn die Verpackung so spannend ist, ist das ein ganz guter Weg.“ Mit dem Buch in Bildern zeigt sich Haller zufrieden. „Die Darstellung, dass es nicht immer die großen Motive wie Eifersucht oder Habgier sind, die zur Katastrophe führen, sondern häufiger die kleinen Dinge, ist aus meiner Sicht gelungen.“ Die Resonanzen jener, die einen Teil der Serie bereits auf ZDFneo gesehen haben, sind ebenfalls durchwegs positiv. Was den Psychiater jedoch besonders freut: Auch die Fachkollegen stimmen seiner Einschätzung zu.
Das gekränkte Genie
Was die Berücksichtigung von Kränkungen allgemein betrifft, nimmt sich Reinhard Haller ungeschminkt selbst an der Nase. „Ich bin auch erst durch den Fall des Franz Fuchs auf dieses Thema gestoßen“, erzählt er. Alle vermuteten hinter den Bombenattentaten politische Gründe. Bei Haller war es nicht anders: „Als ich dann jedoch die Gelegenheit bekam, mit Fuchs zu sprechen, erkannte ich, dass das Motiv, so simpel es klingt, Kränkungen waren. Der Franz Fuchs war ein gekränktes Genie.“ Nach wie vor würden Kränkungen jedoch zu wenig beachtet. „Selbst in der Ausbildung zum Mediziner und dann zum Facharzt kam der Begriff nie vor“, verdeutlicht Haller und zitiert Hildegard von Bingen, die weiland schon meinte: „Was kränkt, macht krank, was beleidigt, erzeugt Leid.“ In Wahrheit sei es tatsächlich so, dass die große Masse der vielen kleineren Wehwehchen letztlich auf Kränkungen zurückzuführen sind.
Sensibilität wecken
Reinhard Haller hofft, dass mit der Fernsehserie die Sensibilität für Kränkungen geweckt werden kann. „Kränkungen werden verdrängt, bagatellisiert, sind eher peinlich, und es wird nicht bedacht, was sie anrichten können.“ Das stelle der Film realistisch dar. Persönlich wünscht er sich ein besseres Bewusstsein für Kränkungen gegenüber anderen und sich selbst, denn nur dann könne man auch gut damit umgehen.
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