Doris Knecht

Kommentar

Doris Knecht

Nur die Männer können es ändern

VN / 08.03.2022 • 09:00 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Heute ist Frauentag, und diesmal steht er im Zeichen des Krieges in Europa, verursacht von einem Mann, der die Existenzen von Millionen zerstört, Männer in die Schlacht, Frauen und Kinder in die Flucht treibt.

Dem Frauentag stand ich immer etwas ambivalent gegenüber. Früher wollte ich ihn gar nicht feiern, denn es war doch so: Einmal im Jahr reden wir über die Frauen und ihre Probleme, die Frauen sagen auf allen Kanälen, was sich alles ändern muss, die Männer nicken mit betroffener Miene und drücken einem ein Blümchen in die Hand. Am 9.3. gehen sie zur Tagesordnung über und machen weiter wie bisher.

„Ein Problem, das ich nach wie vor für ungelöst halte: Dass zu viele Männer der Meinung sind, es handle sich bei all dem um Frauenprobleme.“

In den letzten Jahren habe ich das Gefühl, es ist ein bisschen besser geworden. Noch nicht die Situation der Frauen, aber immerhin das Bewusstsein dafür. Und Bewusstsein ist nun mal die Grundlage aller Veränderung. Ich habe das Gefühl, dass das ganze Jahr über viel mehr darüber geredet wird, was Frauen mehr leisten als Männer, wie sie benachteiligt werden, was ihnen angetan wird.

Es wird jetzt viel mehr und viel präziser über Femizide berichtet: Mittlerweile haben die meisten Medien begriffen, dass es sich nicht um eine „Familientragödie“ handelt oder um ein „Eifersuchtsdrama“, sondern um den Mord an einer Frau, begangen von einem Mann, fast immer von einem, zu dem die Frau in einer Beziehung stand. Es muss allerdings von der Gesellschaft noch so viel mehr unternommen werden, um Femizide zu verhindern, um – v.a. jungen – Männern klarzumachen, dass sie nicht über Frauen bestimmen können und keine angeborenen Rechte über sie haben.

Es wird jetzt auch abseits des Frauentags mehr geredet über die ungebrochene Einkommensungerechtigkeit, über die ungerechte Verteilung von Familien- und Hausarbeit, besonders auch jetzt in der Pandemie. Und die zähen Debatten über eine gendergerechte Sprache, über Binnen-I und Sternchen haben auch was gebracht. Denn jedes einzelne Mal, wo jemand sagt „Was brauchen wir den Blödsinn?“, ergibt sich eine Gelegenheit zu erklären, warum wir es brauchen, und wie wichtig es ist, dass Frauen nicht nur mitgemeint sind, sondern gesellschaftlich gesehen werden.

Ein Problem, das ich nach wie vor für ungelöst halte: Dass zu viele Männer der Meinung sind, es handle sich bei all dem um Frauenprobleme. Aber die Frauen können diese Probleme nicht lösen: Die Männer können es. Indem sie ihre angeborenen Privilegien erkennen und infrage stellen. Indem sie für Gerechtigkeit sorgen, wenn sie Ungerechtigkeit sehen. Indem sich die Männer ändern und Vorbilder werden für andere Männer, besonders ihre Söhne. Und indem sie sich mitgemeint fühlen am Frauentag.

Doris Knecht

doris.knecht@vn.at

Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.