Warum Covid-19 immer öfter zur Nebendiagnose wird

VN / 09.03.2022 • 05:30 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Warum Covid-19 immer öfter zur Nebendiagnose wird
Die Omikron-Variante belastet das Gesundheitssystem nicht übermäßig.  KHBG
 

Die meisten Patienten kommen mit anderen Erkrankungen ins Spital.

Feldkirch Fast 500 Menschen hat die Pandemie in Vorarlberg bislang das Leben gekostet. Speziell in den vergangenen Tagen häuften sich die Todesmeldungen aus den Krankenhäusern. Dort sind seit Beginn des Jahres 29 Covid-19-Patienten verstorben, 11 davon auf der Intensivstation, 18 auf der Normalstation. Was alle eint ist das hohe Alter. Bei den Patienten auf den Normalstationen waren 70 Prozent über 80 Jahre. Bei jenen, die auf der Intensivstation verstarben, lag das Durchschnittsalter bei 77 Jahren. „Zudem litten alle an schweren Vor- bzw. Begleiterkrankungen“, berichtet Intensivkoordinator Wolfgang List im VN-Gespräch. Diese waren häufig der Grund, in Abstimmung mit Patienten und Angehörigen auf eine Intensivtherapie zu verzichten. „Das gab es aber auch schon davor“, ergänzt der Intensivmediziner.

Viele ohne Impfschutz

Erschwerend kam hinzu, dass 21, also der Großteil der verstorbenen Covid-19-Patienten, über keinen oder nur einen unvollständigen Impfschutz verfügten. „Das Risiko, an einer Coronainfektion zu versterben, ist bei Ungeimpften einfach höher, das gilt nicht nur für Intensivpatienten, sondern auch für jene auf der Normalstation“, macht List deutlich, denn eine Häufung von schweren Verläufen gebe es überwiegend bei Nichtgeimpften. Die Omikron-Variante hat das Krankheitsgeschehen allerdings verändert. Wurden vorher 90 Prozent der Patienten wegen Covid-19 hospitalisiert, stellt Covid inzwischen häufig eine Nebendiagnose dar. „Die meisten Patienten wurden ursprünglich wegen einer anderen Erkrankung aufgenommen“, bestätigt Oberarzt List, und auch, dass die Menschen an anderen Krankheiten versterben und nicht unbedingt an Covid-19. Die von der Omikron-Variante verursachte hohe Durchseuchung führe zu einer gewissen Unschärfe. Auf den Intensivstationen sei aber immer schon genau erhoben worden, ob es sich um Covid handle oder Covid nur eine Begleiterscheinung ist.

In den Pflegeheimen gab es im Vergleich zu 2020, wo allein zwischen November und Dezember 70 Menschen starben, 2021 deutlich weniger Todesfälle (19). „Das liegt an der Impfung, über 80 Prozent der Bewohner sind geimpft, und auch die Besuchsregelungen haben geholfen“, erklärt Landesrätin Katharina Wiesflecker das inzwischen relativ geringe Infektionsgeschehen in den Einrichtungen. Den Mitarbeitenden attestiert sie ebenfalls eine hohe Verantwortung.

Sorge wegen Personalausfällen

Obwohl täglich immer noch weit über 1000 Neuinfektionen verzeichnet werden, sind die Krankenhäuser vor einer größeren Belastung bislang verschont geblieben. „Da hilft uns unbestritten der mildere Verlauf der Omikron-Variante“, sagt List. Würde die sich so verhalten wie die Varianten aus den Vorwellen, „hätten wir ein Katastrophenszenario“. Omikron bereitet dennoch Sorgen, und zwar wegen der schnellen Verbreitung. „Die Covidpatienten bedrohen das System nicht, wohl aber die Personalausfälle“, berichtet der Arzt von einer steigenden Tendenz. Das, vermutet er, könnte in den kommenden Wochen das größere Problem werden.

Impfangebot wackelt

Was der Herbst bringt, daran mag Wolfgang List noch nicht denken: „Eine Erfahrung, die mich die Pandemie gelehrt hat ist, dass ich nicht mehr versuche, weit in die Zukunft zu blicken, weil es immer Überraschungen gab.“ Er warnt davor, die Pandemie als beendet zu betrachten. „Wir sind in eine Stabilisierung unterwegs, aber das heißt nicht, dass es so bleibt.“ Die Situation um die stagnierenden Impfzahlen hält List für verfahren. Robert Spiegel, Covid-19-Koordinator der Ärztekammer, spricht gar von einer kompletten Ignoranz. Noch bleibt das Impfangebot bestehen. Sollte die Nachfrage nicht besser werden, ist angedacht, die Impfstraßen im April zu schließen und die Impfungen vorläufig in die Arztpraxen zu verlegen.