Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Erfolgschancen: Null

VN / 22.04.2022 • 08:00 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Seit der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vor etwa zwei Jahren über die Volksabstimmung in Ludesch scheint die direkte Demokratie im Land permanent auf der politischen Tagesordnung zu stehen. Der Verfassungsgerichtshof hatte Bestimmungen im Vorarlberger Landes-Volksabstimmungsgesetz aufgehoben, die es erlaubt hatten, dass das Gemeindevolk auch gegen den Willen der Gemeindevertretung eine bindende Volksabstimmung durchführen konnte.

Im Herbst letzten Jahres hat der Landtag eine „Reparatur“ des aufgehobenen Gesetzes vorgenommen und dabei einerseits den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entsprochen und andererseits das rechtlich Mögliche herausgeholt: Eine Volksabstimmung gegen den Willen der Gemeindevertretung kann zwar weiterhin nicht stattfinden, aber das Volk kann immerhin beachtlichen politischen Druck aufbauen. Welche Gemeindevertretung wird sich einem Volkswillen widersetzen, der von einem großen Teil der Wähler:innenschaft getragen wird?

„In den meisten Vorarlberger Gemeinden hat noch nie eine Volksabstimmung oder Volksbefragung stattgefunden.“

Den Antrag, der zur Grundlage des letztlich beschlossenen Kompromisses wurde, hatten die Oppositionsparteien eingebracht. Das einstimmig beschlossene Gesetz war ein erfreuliches Zeichen politischer Reife im Land. Es wird interessant sein, zu beobachten, wie sich die neuen Regelungen in der Praxis auswirken werden. Haben die Bürgerinnen und Bürger überhaupt Interesse an direkter Demokratie? Dieses war nämlich in der etwas idealisiert dargestellten Vergangenheit im Vergleich mit der Schweiz oder Liechtenstein bescheiden. In den meisten Vorarlberger Gemeinden hat noch nie eine Volksabstimmung oder Volksbefragung stattgefunden.

Um nicht locker zu lassen, haben die Oppositionsparteien in der Zwischenzeit den wenig originellen Antrag eingebracht, der Landeshauptmann möge sich bei seiner Parteikollegin Verfassungsministerin Edtstadler dafür einsetzen, dass das vom VfGH aufgehobene, alte Vorarlberger Modell durch eine Änderung der Bundesverfassung wieder eingeführt wird. Sie wissen natürlich, dass die Erfolgschancen des Landeshauptmannes schlecht stehen, aber den politischen Gegner scheitern zu sehen, ist offenbar verlockend. Die Regierungsparteien haben, dies erkennend, den Antrag abgelehnt und stattdessen – ebenso wenig originell – beschlossen, das Bundeskanzleramt um ein Gutachten zu bitten, welche Möglichkeiten für eine Erweiterung der direkten Demokratie in den Gemeinden sonst noch bestünden. Die Antwort darf man jetzt schon erahnen: Erfolgschancen null. Anstatt politisches Pingpong zu spielen, sollten sich Regierung und Opposition darauf konzentrieren, wie die neue Regelung praktische Bedeutung erlangen könnte.