Anstrengende Demokratie
Sieben Volksbegehren können Sie diese Woche unterschreiben. Entweder persönlich im Gemeindeamt oder elektronisch mit ihrer Handy-Signatur. Wenn Sie sich allerdings vorab über die Inhalte informieren wollen, wird es etwas aufwendiger. 72 Vorschläge umfasst allein das „Rechtsstaat & Antikorruptionsvolksbegehren“. Da wirken die acht Argumente von „Arbeitslosengeld rauf“ beinahe schlank. Das „Bedingungsloses Grundeinkommen umsetzen!“ beschränkt sich auf ein paar allgemeine Erklärungen und eine vage Forderung an den Gesetzgeber.
Die zwölf Seiten zum „NEIN zur Impfpflicht“ sind hingegen wenig strukturiert und eine wirre Mischung von Verschwörungen („Ohne PCR-TEST keine Pandemie“) sowie politischen Forderungen („Nehammer muss weg“). Allein die Veröffentlichung dieses Textes durch Behörden beweist, dass sich Österreich ganz sicher nicht auf dem Weg in eine Gesinnungsdiktatur befindet. Ähnlich ist es bei „Impfpflichtabstimmung: Nein respektieren“ mit der irrigen Behauptung, dass wegen 270.000 Unterstützern (von 6.374.081 Stimmberechtigten) eines Volksbegehrens im September gegen die Impfpflicht diese nachweislich vom Volk abgelehnt wird.
„Allein die Veröffentlichung des Textes durch Behörden beweist, dass sich Österreich ganz sicher nicht auf dem Weg in eine Gesinnungsdiktatur befindet.“
Weniger polarisierend sind die Forderungen des „Mental Health Jugendvolksbegehrens“ für mehr Angebote zur psychischen Gesundheit, das von einer Reihe von Experten und Prominenten (ähnlich wie beim Antikorruptions-Volksbegehren) unterstützt wird. Ein schönes Beispiel, wie dieses Instrument der direkten Demokratie es engagierten Personen ermöglicht, ihre Anliegen öffentlich zur Diskussion zu stellen. Unabhängig davon, ob ein Begehren dann mit dem Überspringen von 100.000 Unterschriften auch formal erfolgreich ist. Aus der Vergangenheit (siehe Frauenvolksbegehren 1997 und 2018) wissen wir, dass selbst viele Unterschriften nicht vor dem Verschwinden in einer parlamentarischen Schublade schützen.
Ganz anders stellt es sich beim „Stoppt Lebendtier-Transportqual“ dar. Nicht wegen des berechtigten Inhalts, sondern wegen des Initiators. Gottfried Waldhäusl, umstrittener FPÖ-Landesrat in Niederösterreich, missbraucht das Volk statt seine Parteifreunde vom Gesetzesantrag zu überzeugen. Inzwischen scheinen Volksbegehren für manche leider ohnehin Volkssport ohne viel Mühe geworden zu sein und es droht eine inflationäre Verwendung. Drei werden heuer noch fix aufgelegt, 51 (!) weitere können Sie auf dem Weg zur offiziellen Eintragungswoche unterstützen. Von „Anti Gendern“ bis „Kurz muss weg“ scheinen manche aus der Zeit gefallen, andere wie „Cannabis legalisieren“ oder „Tägliche Turnstunde“ sind Dauerbrenner. Aber entscheiden Sie selbst über Ernst und Absicht. Demokratie ist manchmal anstrengend, jedoch immer die Mühe wert.
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