Hermine Wehinger: „Musik ist ein freies Medium“

„Das System der manipulativen Führung kann in der Musik nicht greifen“, sagt die Oboistin Hermine Wehinger.
Hohenems Die Oboistin Hermine Wehinger, geboren 1962, kam nach Anfängen auf der Blockflöte mit zwölf Jahren zur Oboe. Seit ihrer Jugend spielte sie in verschiedensten Ensembles, u. a. im Jugendorchester unter Guntram Simma, in Blasmusikkapellen oder in der Damenkapelle „Tritsch-Tratsch“. Dreizehn Jahre lang unterrichtete sie Oboe, Blockflöte und musikalische Früherziehung an der Rheintalischen Musikschule Lustenau. Sie lebt mit ihrer Familie in Hohenems.
Wie sind Sie zur Oboe gekommen?
Als Alfred Mayer die Musikschule in Götzis aufbaute, hat er Prof. Jana Navratil aus Innsbruck als Oboenlehrerin geholt. Ich habe mit Oboe begonnen, ohne zu wissen, was ich da lerne. Die Leute haben zu meiner Mutter gesagt: „Du kasch des Moatle nit Oboe lerna lo, do wird ma jo nerrsch“, wegen der Gefahr des Überdrucks im Kopf. Ich hatte sechs Jahre Musikschulunterricht, mit achtzehn habe ich mein erstes Kind bekommen und mir das Weitere autodidaktisch beigebracht. Es hat sich alles von selbst ergeben, die Oboe ist zu mir gekommen. Alfred Mayer wollte, dass ich studiere, aber ich wollte mir nie etwas sagen lassen. Die Musik gehört mir. Ich bin Perfektionistin, aber ich wollte nie von außen dazu gebracht werden. Ich hätte nie gekämpft. Ich finde es tragisch, dass heute schon von vornherein so viel auf Höchstleistung trainiert wird.
Was waren Ihre nächsten musikalischen Schritte?
Seit 1982 habe ich bei Christoph Eberle in seinem Kammerorchester gespielt. Ich kam von der tschechischen Schule, die einen hellen Klang bevorzugt, damals war aber die Berliner Schule mit einem dunklen Klang en vogue. Michael Turnovsky, der in Berlin studiert hatte und Solooboist in Klagenfurt war, war auch bei Eberles Projekten Solooboist, kam aber meist erst zur Hauptprobe. Eberle wollte den dunklen Klang. Wichtig für mich war die Bereitschaft, mich einzufügen. Es muss einem Spaß machen, sich dazuzustellen und zweite Oboe zu spielen.
Sie spielen schon seit einer gefühlten Ewigkeit im SOV. Wie ist die Verbindung zustandegekommen?
Ich bin seit der Gründung 1984 dabei. Mein Cousin Klaus Fend war ein aufstrebender Hornist, sein Vater hat die Musiker für Eberle gesucht, so kam ich dazu. Am Anfang habe ich viel gespielt, dann kamen Julia Wilhelm-Moretti und Heidrun Pflüger, ich habe weniger gemacht. Bei den Opern war ich fast immer dabei, auch beim ganzen Mahler-Projekt, seit 1994 spiele ich regelmäßig mit. Damals hat der Geschäftsführer Michael Löbl am Donnerstag bei mir angerufen, für Probenbeginn Dienstag, sie brauchten mich für die Symphonie classique von Prokofjew, die schwer ist, und für ein französisches Stück mit Englischhorn. Es war wie ein Probespiel, wenn ich es schaffen würde, bekäme ich die Stelle. Ich dachte, ich schaffe es nicht. Ich habe vor der Probe mit Eberle gesprochen, mit der Haltung: Ich gebe mein Bestes, okay, was kommt, kommt. Die Symphonie classique ist so lebendig, witzig und tief, ein Superstück. Es war wie ein Wink aus dem Feinstofflichen, ganz intuitiv: Schau, das ist es. Eberle hat sich darauf eingelassen, es hat gepasst.
Wie sieht das Orchesterleben aus dem Blickwinkel, oder besser Hörwinkel einer zweiten Oboe aus?
Da du nicht führen musst, hast du Zeit, dich umzuhören. Es geschieht mehr aus Zufall, dass man sich mit jemandem ohne Absprache gemeinsam auf eine Version von Ausdruck einigt. Kleine Sachen geschehen oft aus einem offenen Herzen heraus. Das ist für mich Musik: durch Klänge zusammenfinden, sich getragen fühlen und dabei Freude empfinden.
Was hören Sie konkret von Ihrem Platz im Orchester aus, mit dem Blech hinter sich?
Das tiefe Blech ist sehr angenehm. Schlimm ist es vor dem Konzert, wenn jeder sich einbläst. Wenn es geordnet ist, wirst du wie mit Vibration massiert. Am schönsten ist es, wenn du eine tiefe Singstimme hinter dir hast, da kannst du dich an den Vibrationen wärmen.
Was bedeutet Musik generell für Sie?
Es ist ein Medium, um sich mitzuteilen, ein vollkommen freies, offenes Medium. Auf eine Art, wo es weniger Widerstand beim Gegenüber gibt als über die Sprache. Das System der manipulativen Führung kann in der Musik nicht greifen. Musik ist ein freies Medium.
Setzen Sie sich schon vor den Proben mit Bruckners 9. Symphonie auseinander?
Auf alle Fälle. Man übt die Stimme immer im Kontext des Hörens und Sehens. Man könnte es auch mit der Partitur machen, ich bevorzuge CDs und YouTube. Ich weiß dann schon vorher, wann ich auch als 2. Oboe Führung übernehmen muss. Bei leisen Stellen muss die Kraft im Inneren noch mehr aufgebaut werden. Ich kann mir einen Plan zurechtlegen, aber es kann vom Dirigenten auch etwas anderes gefordert werden.
Was ist für Sie das Besondere am SOV?
Gemeinschaft. Ulrike Längle
Nächste Termine: 14./15. Mai, Konzerte des SOV mit Bruckner und Mozart, 19. Juni, Konzert Orchesterverein Götzis mit Haydn, Juli SOV, Bregenzer Festspiele, Oper, Rossini: “Die Italienerin in Algier”.