Mir geht es gut
Scheu und sehr höflich bejahen die vier jungen Männer das Angebot, sie doch mit einem ihrer Handys alle gemeinsam zu fotografieren. Später betrachten sie das Foto ganz ungläubig, lachend, staunend.
Sie hatten zuvor die Seeanlagen mit großen Augen durchstreift wie Kinder, die Wundersames zu sehen kriegen. In der Tat bot die wogende Menge der Sonnenhungrigen spektakuläre Ansichten: Halb- bis dreiviertelnackt stellten mehr oder minder Trainierte Körperschmuck und Tattoos zur Schau. Dazwischen wieder Kinder und schlendernde Familien, Radfahrer auf Kollisionskurs. Ein älterer Herr auf einem elektrisch betriebenen Dreirad führte in seinem Anhänger zwei gelangweilte Möpse spazieren.
Die vier jungen Männer waren nicht von hier, das sah man gleich. Ihr glänzendes, pechschwarzes Haar, die reichlich aus der Mode gekommene Kleidung … der Wind wehte Worte einer fremden Sprache herüber – vielleicht Paschtu oder Persisch? Dass sie mit ihren Handys Fotos schossen, machte sie mit der Menge gemein.
Das tun ja alle. Aber sie hielten nicht die Merkwürdigkeiten fest. Abwechselnd warfen sie sich in Positur, einen blühenden Strauch oder einen schneeweißen Dampfer im Hintergrund. Einzeln stellten sie sich in diese altbackene Kulisse und abends würden sie die Fotos nach Hause schicken, wo auch immer das sein mochte. Die Bilder erzählten alle dieselbe Geschichte: Mir geht es gut. Ich hab’s geschafft. Hier ist es schön.
Thomas Matt
redaktion@vn.at
Kommentar