Einfach nur Schuhe
Zu Fuß? Es geht doch niemand mehr zu Fuß, wenn er nicht muss! Wie komm ich denn hier zum Marktplatz, fragt man den Passanten, der sich mit dem Lokalblatt unterm Arm als Einheimischer verraten hat. „Da nehmen Sie die Linie 8, drei Stationen!“ Und zu Fuß? Er reißt die Augen auf: „Zu Fuß? Ja … sind dann aber sicher … 20 Minuten!“ Widerwillig erklärt er den Weg und wirft Dir einen abschätzigen Blick hinterher: Typisch Tourist! In Wien ist das so und in München, sogar in Paris (Mon dieu, à pied!)
Mit der Bewegung scheint es wie mit der Bräunung in alten Tagen: Noble Blässe kennzeichnete den gut dotierten Müßiggang, Braungebrannten sah man die körperliche Arbeit an (Igitt!) Also steckt die Welt voller Aufstiegshilfen: Rolltreppen und Lifte allerorten. Förderbänder am Flughafen für Passagiere wie Gepäck sind ein alter Hut. E-Bikes, bei denen die Fahrer nur mehr pro forma in die Pedale treten. Scooter lungern an jeder Straßenecke, die sich per App freischalten und elektrisch in Betrieb nehmen lassen.
Allein, so viel Fortschritt hat seinen Preis. Und so wünscht man sich manchmal ganz im Geheimen, wenn manche schnaufend einen Lift besteigen, um einzelne Stockwerke zu überwinden, oder wie eine Knackwurst auf Rädern zum nächsten Imbissstand rollern, schon einen kleineren Stromausfall, rein aus therapeutischen Gründen. Und dann eine Stiege, ein Fahrrad ohne Motor, einen Tretroller oder ein Paar abgelaufener Schuhe. Einfach nur Schuhe.
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