Johannes Hahn: “Keine Sorge um den Euro”

Politik / 18.07.2022 • 04:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Johannes Hahn: "Keine Sorge um den Euro"
APA/Groder, CAnva

VN-Interview. EU-Kommissar Johannes Hahn (64) über Krisen und Beitrittskandidaten

Schwarzenberg Eine von der Europavertretung in Wien gemeinsam mit der Gesellschaft für Europapolitik organisierte Veranstaltung zum Thema „Green Finance“ brachte hochrangige politische Vertreter am Wochenende nach Schwarzenberg. Unter ihnen war auch EU-Kommissar Johannes Hahn, zuständig unter anderem für das EU-Budget. Um den Euro macht er sich keine Sorgen, das sei eine sehr stabile Währung.

Ein großes Thema ist derzeit die Teuerung. Wäre auf EU-Ebene ein Gegensteuern möglich?

Hahn Wenig, weil das EU-Budget macht nur ein Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Bei den nationalen Haushalten liegt dieser Wert zwischen 30 und 45 Prozent. Das heißt, sie haben die eigentliche Macht und Kraft, hier einen Beitrag zu leisten. Das europäische Budget hat die Aufgabe, die gemeinsamen politischen Prioritäten der 27 Mitgliedsstaaten zu finanzieren. Da geht es etwa um Investitionen in den grünen Übergang, erneuerbare Energie und Energie-Effizienz, um zum einen die CO2-Emmissionen und zum anderen unsere Abhängigkeiten zu reduzieren.

Wie passt es zusammen, dass die EU unlängst Gas und Atomstrom wieder grün etikettiert hat?

Hahn Wir haben anerkannt, dass der Energiemix in einzelnen Ländern eine nationale Kompetenz ist. Auf das hat auch Österreich schon immer hohen Wert gelegt. Ebenso gilt es zu akzeptieren, dass manche Länder beim Übergang zu grünen Technologien ihre Zeit brauchen. Es ist mir wichtig zu betonen, dass weder Atomkraft noch Gas grüne Technologien sind, sondern sie werden als Überganstechnologien akzeptiert. Ich war bei der seinerzeitigen Beschlussfassung dagegen, weil mir die Übergangsfristen zu lange sind.

Wie bewerten Sie die aktuelle Situation des Euro? Machen Sie sich Sorgen um die Währung?

Hahn Nein, denn der Euro ist eine sehr stabile Währung. Sie ist auch zu groß, als dass man dagegen agieren kann.

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Inwieweit belastet die Ukraine-Krise das EU-Budget?

Hahn Der Krieg in der Ukraine hat erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen. Innerhalb der EU müssen wir jenen Ländern besonders helfen, die überproportional viele Flüchtlinge aufgenommen haben. Wir haben ebenso die Aufgabe, die Ukraine in der aktuellen Kriegssituation finanziell zu unterstützen. Und wir sind mit Kosten konfrontiert, die sich im Zusammenhang mit der Lebensmittelversorgungssicherheit ergeben. Zwar nicht so sehr in Europa selbst, da sind wir im Wesentlichen autark, sondern in unserer südlichen Nachbarschaft.

War das Beitrittsangebot die richtige Maßnahme?

Hahn Der Beitrittskandidaten-Status ist in der aktuellen Situation ein extrem wichtiges Signal an die ukrainische Bevölkerung, dass sie eine europäische Perspektive hat. Das heißt aber nicht, dass es ein Beitrittsverfahren sozusagen im Eilzugstempo mit einem Discount gibt. Die Ukraine muss genauso die Bedingungen erfüllen, wie alle anderen.

Verstehen Sie den Ärger jener südosteuropäischen Staaten, die schon lange auf Beitrittsverhandlungen warten?

Hahn Absolut, weil wir immer gesagt haben, wenn die Bedingungen erfüllt sind, gehen wir den nächsten Schritt. Nordmazedonien hat das Erforderliche getan, aber dennoch lange nicht den nächsten Schritt bekommen Es gibt seit 2017 auch einen positiven Bericht der Kommission an den Europäischen Rat, dem Kosovo die Visa-Liberalisierung zu gewähren, aber wir liefern nicht. Das ist sicher nicht gut für die Glaubwürdigkeit Europas.

Wie viele Länder verträgt die EU noch?

Hahn Man könnte jetzt flapsig sagen: Ob wir 27 oder 33 sind, ist egal, aber auch für die 27 brauchen wir dringend eine Weiterentwicklung, und die kann im Rahmen des bestehenden Vertrages passieren. Es geht darum, in verschiedensten Bereichen zu Mehrheitsentscheidungen zu kommen oder sie zu praktizieren. Wir müssen uns entscheiden, wollen wir als Europäische Union auf globaler Ebene ein Akteur oder ein Reakteur sein. Wenn wir agieren wollen, müssen wir Interessen formulieren und aktiv vertreten. Da ist auch schon viel weitergegangen.

Viele Branchen leiden unter Personalmangel. Trifft das Problem die EU auch?

Hahn Grundsätzlich ist die Europäische Union immer noch ein attraktiver Arbeitgeber. Wir haben im Schnitt pro Jahr 100.000 Bewerbungen für etwa 1500 bis 2000 Jobs, aber es gibt mittlerweile 13 Länder, die bei den Neueinsteigern unterrepräsentiert sind, und Österreich gehört dazu. Die Bundesregierung beginnt jetzt, sich hier zu engagieren. Es wäre auch wichtig, dass die einzelnen Regionen mitmachen. Bei den Top-Positionen sind Personen aus Österreich allerdings sehr stark vertreten, insbesondere aus Vorarlberg.

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