Hüttenwirt Thomas Eder über das Kommen und Gehen des Hüttenpersonals

Seit 15 Jahren ist der gelernte Informatiker Thomas Eder Hüttenwirt. Auf der Ravensburger Hütte hat er schon viele Saisonkräfte kommen und gehen gesehen, doch ein harter Kern bleibt ihm treu. Welche Glücksgriffe und Fehlbesetzungen er schon erlebt hat, auf was es ihm beim Hüttenpersonal ankommt und was er dafür tut, neue Mitarbeiter zu akquirieren.
Dalaas Auch die Alpenvereinshütten haben zum Teil Personalprobleme. An Anfragen mangelt es Hüttenwirt Thomas Eder zwar nicht, aber die Qualität der Bewerbungen habe in den letzten Jahren nachgelassen. Es werde immer schwieriger, qualifiziertes und motiviertes Personal zu finden. Deshalb ging Thomas Eder beim Recruiting neuer Saisonkräfte in die Offensive.
Thomas Eder ist ein Freigeist, Informatiker und Hüttenwirt der Ravensburger Hütte. Im Winter ist er auf den Kanaren, „im Van und in absoluter Freiheit“. wie er erzählt. Nun hat er wieder das Meer gegen die Berge eingetauscht, den Van gegen die Ravensburger Hütte oberhalb des Spullersees. Seit 15 Jahren ist er schon Hüttenwirt. Corona war für ihn eine interessante Erfahrung, auch, wie seine Kollegen mit ihren Mitarbeitern umgegangen sind. „So wie wir mit unseren Leuten umgehen, kriegen wir kein Personal. Da suchen sie sich lieber bessere Jobs.“

Thomas Eder hat seine Ex-Mitarbeiter daher gebeten, einen Erfahrungsbericht zu schreiben, wie sie den Sommer auf der Hütte erlebt haben, damit sich die Bewerber vorab ein Bild von der Tätigkeit machen können. „Viele vermissen die Zeit bei uns“ und das, obwohl es ein „Knochenjob“ sei, weiß der Hüttenwirt. Er nimmt kein Blatt vor den Mund: „Du lebst mit deinen Arbeitskollegen und deinem Chef in einer großen WG, aber solltest Berufliches und Privates trennen können und deine Grenzen wissen.“
Blogbeiträge und Videos
Vor einem halben Jahr hat er begonnen, auf sich und seine Hütte aufmerksam zu machen. So drehte er letzten Sommer ein spontanes Interview mit einer Mitarbeiterin, mit dem Ziel, neues Personal zu akquirieren. Auch ein Video, wie sie die Hütte auf die bevorstehende Sommersaison vorbereiten, hat er auf YouTube gestellt. Den Saisonstart samt zahlreichen Fotos hat er zudem ausführlich in einem Blog-Beitrag auf der Internetseite komveni.com beschrieben.
Der Arbeitsmarkt habe sich komplett verändert. „Mittlerweile muss sich der Arbeitgeber beim Arbeitnehmer bewerben.“ 60 bis 70 Bewerbungen bekommt er pro Saison. Die Bewerber müssen einen Fragebogen ausfüllen und erhalten dann eine E-Mail mit der Einladung zum Vorstellungsgespräch. „Alles vollautomatisiert“, sagt Thomas Eder. „Bis zum Bewerbungsgespräch haben es nur 20 Personen geschafft, denn die Kommunikation und das Zwischenmenschliche sind mir sehr wichtig“, gibt der Tschaggunser seine Auswahlkriterien preis.

Das Personal wechselt jede Saison, ein harter Kern bleibt gleich. Drei Neue hat Thomas Eder für die jetzige Hüttensaison eingestellt, drei Mitarbeiter sind schon länger dabei, Koch Shiva aus Nepal seit fünf Jahren. „Er ist eine eigene, ganz interessante Persönlichkeit“, sagt Thomas Eder über seinen Koch. „Er arbeitet für mich so lange, bis ich diesen Job mache und umgekehrt ist es genauso.“ Viel Zeit zusammen verbringen die beiden bei 16-Stunden-Schichten und einer Sieben-Tage-Woche nicht und doch verstehen sie sich. Yam, ebenfalls Nepalese, Koch und ein Bekannter von Shiva, spricht weder deutsch noch englisch, doch das stelle kein Problem dar. „Unter Profis muss man sich nicht in einer Sprache unterhalten können“, sagt er.

Die gute Seele des Hauses
Die dritte Beständige im Hüttenteam ist Inge, ein „Glücksgriff“ vom letzten Sommer. Damals musste Thomas Eder mit zwei Mitarbeitern weniger in die Saison starten, die Dritte war eine Fehlbesetzung. „Inmitten der Saison ist Inge dazugestoßen. Sie macht die Zimmer in einer unwahrscheinlichen Schnelligkeit und Qualität und ist die gute Seele des Hauses.“ Dagegen wollen zum Teil junge Erwachsene hier arbeiten, die nicht einmal wissen, dass man eine Suppe mit Löffel isst. „Da frage ich mich ernsthaft, wie die überleben können“, sagt Thomas. Es gibt aber auch junge, motivierte Menschen, die zwar komplett unerfahren sind, aber „nach zwei Tagen wissen, was Sache ist und einen verdammt guten Job machen, sodass mir zum Schluss die Tränen kommen“, erzählt Thomas Eder weiter. „Judith war so eine.“

Judith war nur eine Notlösung, weil Personal fehlte. „Am Anfang hat sie dumme Fragen gestellt, doch nach zwei Tagen hat sie die Hütte geschmissen.“ Seine Anstellungen seien immer „Hop- oder Top-Geschichten“. Einmal hat er zwei „Youngsters“ eingestellt, die sich innerhalb der Saison abgewechselt haben. „Zwei Wochen habe ich mich um den einen bemüht, dann habe ich es aufgegeben. Ich hatte einfach keine Zeit und Energie, ihn weiter einzuweisen. Inge hat es noch einmal probiert mit ihm, aber es auch nicht geschafft.“ Thomas Eder braucht Leute, „die funktionieren“, denn die Ravensburger Hütte lebt vom Tagesgeschäft. Bei gewissen Regeln ist Thomas streng, wie zum Beispiel bei der Hüttenruhe ab 22 Uhr. „Ich brauche eine entspannte, ausgeschlafene Mannschaft“, sagt er. Doch mit der Zeit können auch seine Mitarbeiter Verantwortung übernehmen und selbst Entscheidungen treffen.
Die unwichtigste Person
„Ich will die Leute so schnell wie möglich so viel wie möglich machen lassen“, beschreibt er seinen Führungsstil. Er sieht sich selbst als unwichtigste Person. „Je stärker mein Team ist, desto mehr kann ich mich um wichtige, organisatorische Sachen kümmern.“ Diese Saison helfen Christine, Nicole und Carmen mit. Ein weiterer Bursche hätte diesen Sommer mit aushelfen sollen, doch Thomas Eder kickte ihn nach zwei Wochen wieder raus, da er sich mehr für die sportliche Betätigung in den Bergen interessierte und nur „nebenher“ Geld verdienen wollte.

Quereinsteiger
Hüttenwirt wurde der Informatiker durch seinen Bruder, der vor 20 Jahren entschieden hat, die Regensburger Hütte zu übernehmen. „Im ersten Moment dachte ich: Jetzt dreht er komplett durch.“ Doch dann hat Thomas Eder Gefallen am Hüttenleben gefunden. „Ich bin kompletter Quereinsteiger und mache viele Sachen anders.“ So hat er zum Beispiel eine Software programmiert, bei der man eine Anzahlung bei einer Reservierung leisten muss, damit die Gäste weniger stornieren. „Wir haben jedes Publikum auf der Hütte auch Leute, die denken, wir wären ein Hotel.“ Trotzdem kehrt Thomas jeden Sommer hierher zurück.
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