Vor dem Überfluss
Warum tun wir uns nur so schwer? Verzicht – schon das Wort schmeckt nach Aschermittwoch, und zwar nicht nach der Heringsschmaus-Variante. Der Begriff allein wirkt schal und moralinsauer. Als hätte einer dieser hageren Prediger die Kanzel erklommen, wie sie die Kirche den Menschen schon lange nicht mehr zumutet.
Dann ist da dieses Kind. Ein Mädchen von drei Jahren. Kann weder Verzicht noch Überfluss buchstabieren. Hat sein Herz an einen Stoffhasen verloren. Also, den Hasen erkennt man nur noch mit Phantasie, so viele Liebkosungen hat das kleine Bündel aus Textil schon ausgefasst. Kürzlich haben die Eltern versucht, den lädierten Kameraden durch einen nagelneuen Brummbären zu ersetzen – keine Chance! Die Kleine legte ihren Gefährten nicht einmal aus der Hand, als sie den neuen Bären mit der anderen zu fassen kriegte und wenig später achtlos liegen ließ.
Also können wir das ja doch, ein Ding so liebhaben, dass wir es nicht zwanghaft im Monatsrhythmus durch ein neues ersetzen müssen? Gut, das Kind hat uns einiges voraus. Es vergleicht nicht. Niemals würde es seinen Hasen gegen das Kuscheltier der Freundin tauschen, nur weil es größer ist. Und es hat noch nicht als sein Menschenrecht verinnerlicht, ständig über seine Verhältnisse zu leben. Das kommt noch früh genug, wenn die Einflüsterer der Maßlosigkeit sich Gehör verschafft haben und das Kind groß genug geworden ist, um die Welt mitzugestalten.
Thomas Matt
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