Thomas Matt

Kommentar

Thomas Matt

In Wahrheit bedürftig

VN / 24.08.2022 • 11:00 Uhr / 2 Minuten Lesezeit

Der Morgen erwacht strahlend, als wäre nichts geschehen. In den Wiesen steht noch ein wenig Wasser, aber die ausgedehnten Seen, die ganze Straßenzüge hatten verschwinden lassen, sind versickert. Die Sonne trocknet den Schlamm. In der Innenstadt flanieren Touristen an Sandsackbarrieren entlang, die seltsam deplatziert wirken. War denn da was?

Diejenigen, die ihre Keller trockenlegen und den Schaden begutachten, sieht man nicht. Feuerwehrautos bahnen sich im Schritttempo den Weg durch die Fußgängerzone. Die Frauen und Männer in Uniform sammeln Schläuche ein, die Trockner surren auf Hochtouren. Man sieht ihnen an, dass die Unbeschwertheit des Tages erst wenige Stunden währt.

Später wird man über die fehlenden Alarmierungen und die Grenzen der Vorhersagbarkeit diskutieren. Das ist alles wichtig und richtig. Wir haben den Klimaschutz beschworen und gleichzeitig solche Extremereignisse herbeigelebt. Jetzt müssen wir uns schützen lernen, soweit das eben geht. Aber die Flut hält noch eine Wahrheit parat. Sie steht in den Gesichtern der erschöpften Feuerwehrfrauen und -männer zu lesen: Unsere Gesellschaft, die dieser Tage so auseinanderdriftet, weil jeder nur mehr seine eigenen Interessen vor Augen hat, ist immer mehr auf Menschen angewiesen, die anderen beistehen.

Thomas Matt

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