Thomas Matt

Kommentar

Thomas Matt

Fürs höchste Amt

VN / 05.10.2022 • 05:00 Uhr / 2 Minuten Lesezeit

Der ehemalige Wiener Bürgermeister Michael Häupl hat 2005 das Bonmot vom Wahlkampf als einer „Zeit fokussierter Unintelligenz“ geprägt (übrigens an die eigene SPÖ gerichtet). Seine Worte im Ohr wählen wir am Sonntag den Bundespräsidenten und hoffen zutiefst, dass es diesmal mit einem Wahlgang getan sein wird. Nur so fände das skurrile Spektaktel wenigstens vorübergehend ein Ende, bis bei nächster Gelegenheit wieder die Selbstdarsteller die Bühne stürmen und mit verhaltensoriginellen Ideen um sich werfen.

Jetzt kann man sagen: Da geht’s ja um nix! Der gut bezahlte Grüß-Onkel in der Hofburg, wer braucht den schon? Aber da erinnern wir uns an Rudolf Kirchschläger, der vor 42 Jahren mit seinem Ruf nach Trockenlegung der Sümpfe und sauren Wiesen Konsequenzen aus dem AKH-Skandal einforderte. Oder an Alexander Van der Bellen, der am Tiefpunkt der österreichischen Politkultur im Mai 2019 angesichts der Ibiza-Affäre beteuerte: „So sind wir nicht!“ Dann hat er mit Würde zwei Regierungskrisen, 69 Angelobungen und eine Expertenregierung überdauert. Seinen Landsleuten sprach er wieder und wieder Mut zu, als während der Pandemie die Aussichten gar nicht rosig waren.

Vermutlich brauchen wir so einen heute viel dringender als so manche tagespolitische Verlegenheit. Deshalb wählen wir mitten im Altweibersommer am Sonntag den Bundespräsidenten. Weil nämlich erheblicher Mangel herrscht an besonnenen Stimmen und Integrität.

Thomas Matt

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