Gerold Riedmann

Kommentar

Gerold Riedmann

Sascha und die halbstarken Männer

Politik / 07.10.2022 • 22:14 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Es scheint, als stünde eine Bundespräsidentenwahl mit dem Charme eines Notariatsakts bevor. Mitschuldig daran sind die einstigen Großparteien SPÖ und ÖVP, die es vorgezogen haben, niemanden zu nominieren. Weil sich der amtierende Präsident Alexander Van der Bellen (78) so rar macht und im Wahlkampf absolut konfrontationsscheu geblieben ist, fällt viel Scheinwerferlicht für die Herausforderer ab. Nicht immer zurecht.

Drei Kandidaten zählt das dritte Lager. Durchaus in Abstufungen der Lautstärke und Angriffigkeit – von Walter Rosenkranz (60), Tassilo Wallentin (48) bis Gerald Grosz (45). Drei Kandidaten, die sich in Fantasien ergehen, wer wie schnell die Regierung entlässt und so versuchen, von der lauen Leistung der von Krisen gejagten Bundesregierung zu profitieren. Und zwei der Kandidaten werden sich hauptsächlich dadurch auszeichnen, dass sie dem FPÖ-Kandidaten und Volksanwalt Walter Rosenkranz Stimmen abspenstig machen.

Es hat nichts mit Demokratie- oder Realitätsverweigerung zu tun, den beiden Kolumnisten Tassilo Wallentin und Gerald Grosz, dem Schuh-Fabrikanten Heini Staudinger (69) und Impfgegner Michael Brunner (61) keine großen Chancen einzuräumen. Dominik Wlazny (35), der als Musiker “Marco Pogo” seinen einstigen Song “Die Bierpartei” in die Wirklichkeit umsetzte und bei Wahlen antrat, konnte bei der letzten Nationalratswahl immerhin ein Promille der Wählerstimmen erreichen, im Wiener Wahlkampf waren es dann 1,8 Prozent. Dass ausgerechnet er als Mediziner mit der Bierpartei ernst genommen werden will, braucht wortreiche Erklärungen. Irgendwie will er dasselbe wie Van der Bellen, sieht sich halt “unabhängiger”.

Mit all diesen Niederungen wollte der amtierende Bundespräsident freilich nichts zu tun haben. “Haltet ihn fern”, werden die präsidialen Berater hinter verschlossener Tapetentür in der Hofburg beschieden haben. So ließ sich Van der Bellen höchstens aus New York ins schnöde Österreich schalten. Klar, verstanden: Welt-Parkett, das kann er. Dass er sich auch vor der Wahl nicht auf Duelle oder eine Elefantenrunde einlässt, dafür muss er Kritik ertragen. Denn wenn Diskussionen mit Herausforderern nicht wert gefunden werden, ist dies demokratiepolitisch bedenklich. Da mag der Präsident “Sascha” Van der Bellen noch so oft darauf verweisen, dass das bei den Wiederwahlen seiner Vorgänger noch nie üblich war.

Das Vakuum, das den Kandidaten den Platz an der Sonne ermöglicht hat, geht von den Parteizentralen der SPÖ und ÖVP aus, die sich gleichzeitig in so nobler Zurückhaltung geübt haben, dass sie jetzt damit leben müssen, dass unterschiedlich originelle Kandidaten die Sendezeit wegatmen. Die Forderungen und Versprechen kommen aus dem ganzen Spektrum – und darüber hinaus: von einem Ende der angeblichen “Systemparteien” bis zum Austritt aus der EU oder Verschwörer-Rhetorik.

Ihre Wahl müssen Sie ohnehin selbst treffen, bitte gehen Sie wählen. Gegebenenfalls in Vorfreude auf die dann folgende Bundespräsidentenwahl 2028, wenn alle Parteien wieder Kandidaten ins Rennen schicken – und Kandidatinnen.