Oskars Fußstapfen sind riesig

Burtscher übernimmt mit viel Optimismus von Oskar Egle den Landesjugendchor VOICES.
BLUDESCH Er gehört zu jenen Musikern, die man letztlich auch gegen ihren Willen für eine Sache total begeistern kann. Bei Paul Burtscher war es nach einer Bedenkzeit die Übernahme der Leitung des Landesjugendchors VOICES von Oskar Egle. Nach einer durch Corona weiter verzögerten Übergangsphase tritt er nun mit seinem Debütkonzert diese Funktion an.
Wie groß sind für Sie die Fußstapfen, die Ihr Vorgänger beim Landesjugendchor VOICES hinterlassen hat?
BURTSCHER (lacht) Die sind riesig. Aber es ist enorm wichtig, dass das Projekt auch ohne Oskar weitergeführt wird, in seinem Sinne. Möglichst viele Jugendliche im Land sollten in diesem Chor mitsingen, natürlich auf möglichst hohem Niveau, aber nicht als Kammerchor wie in anderen Bundesländern. Dort sind es 30 Leute, bei uns auf dem Papier 120 und in der Praxis um die 80 Sänger:Innen.
Wie kam es zu diesem Wechsel in der Leitung des 2003 gegründeten Chores?
BURTSCHER Schon vor Jahren hat mir Oskar angekündigt, dass er mit 60 die Leitung seiner vier Chöre reduzieren will und ich für ihn der ideale Nachfolger bei VOICES wäre. Für mich schien das zunächst wegen meines aktuellen Arbeitspensums schlichtweg unmöglich, doch dann habe ich zugesagt. Ich sehe meinen Weg nicht in den Fußstapfen von Oskar, sondern möchte mit Hilfe meines Teams in vielen kleinen Schritten dieses Projekt eigenständig weiterführen.
Wird sich an der künstlerischen Ausrichtung des Chores in der neuen Ära etwas ändern?
BURTSCHER Es kann nicht genau gleich klingen. Ich bin natürlich ein Schüler von Oskar und sein Klangideal ist auch meines. Allerdings möchte ich immer wieder Gastdirigenten zu Arbeitsphasen einladen, und dadurch wird das sehr bunt werden.
War Oskar Egle für Sie nicht nur Ihr Lehrer, sondern auch ein Vorbild?
BURTSCHER Ja, und er ist es noch immer. Ich kenne keinen, der so gut organisieren kann, so fleißig und immer top vorbereitet ist wie er. Ohne Oskars Chorvirus wäre vieles nicht entstanden in der Szene und auch ich wäre nicht in diesem Bereich gelandet. Ich komme ja eigentlich von der Blasmusik, bin in Thüringerberg aufgewachsen und habe in der dortigen Blaskapelle Trompete und Flügelhorn gespielt. Im Kons und durch meinen Lehrer Harald Hronek in der Musikmittelschule Thüringen habe ich prägende musikalische Impulse erfahren, mich aber dann doch zunächst für die HTL und die technische Richtung entschieden. Die Pädak gab mir dann die entscheidende Wendung, wo ich mit 19 zum ersten Mal mit dem Singen über Chorleiterkurse von Johannes Prinz und Johannes Hiemetsberger in Berührung kam und dann als Lehrer in der Musikmittelschule Götzis eine Stelle gefunden habe. Mein erster Choreinsatz war das Mozart-Requiem mit Vocale Neuburg-Koblach, einstudiert von Oskar Egle, geleitet von Manfred Honeck. Trotzdem hatte der Chor damals für mich fast etwas Sektenartiges (lacht).
Auch als eingefleischter Musiker bezeichnen Sie sich bis heute auch als Mathematiker – wie geht das zusammen?
BURTSCHER Da gibt es in der Musiktheorie natürliche Verbindungslinien, auch Pythagoras war ein durchaus musischer Mathematiker. Mein Klangideal hat viel mit der Obertonreihe in reiner Stimmung der A-cappella-Chöre zu tun, auch der Bläser und Streicher. Der Klavierklang dagegen ist immer nur ein wohltemperierter Kompromiss.

Sie haben sich im Land auch als Chorleiter von GIOIA und beim LIEDERmännerChor Alberschwende einen geachteten Namen gemacht.
BURTSCHER Meine Arbeit mit GIOIA kam besonders meiner Neigung zur Popmusik entgegen, mit denen habe ich bis 2011 einige Projekte gemacht und dabei meine Frau kennengelernt. Mit dem Chor von Alberschwende, den ich bis heute leite, wollte ich beweisen, dass ein Männerchor nicht nur wie ein Männerchor klingen muss.
Wird man bei Ihrem Repertoire in Zukunft auch jene atemberaubenden zeitgenössischen Chor-Arrangements hören, mit denen Oskar Egle mit VOICES stets für Aufsehen gesorgt hat?
BURTSCHER Natürlich möchte ich das anstreben, zur Vorbereitung auch die regelmäßigen Vokalwochen in St. Gerold bzw. St. Arbogast. Zumindest der Start dazu ist ja auch schon gelungen: Meine erste Chorreise als Leiter vergangenen Sommer nach Riva zu einem internationalen Wettbewerb konnten wir gemeinsam sehr erfolgreich abschließen.
FRITZ JURMANN
ZUR PERSON
PAUL BURTSCHER
GEBOREN 1973 in Bludenz, lebt in Bludesch
AUSBILDUNG Kapellmeister- und Chorleiterlehrgang am Landeskonservatorium Feldkirch, zahlreiche Seminare und Workshops im In- und Ausland
TÄTIGKEIT Lehrer an der Musikmittelschule Götzis für Musik und Mathematik; Mitglied des Musikausschusses im Chorverband Vorarlberg, Leitung Chor GIOIA (bis 2011), LIEDERmännerChor Alberschwende, Schulchor Götzis, Jugendchor am Kumma (bis 2020)
FAMILIE verheiratet, zwei Kinder
MOVING VOICES – Konzerte mit Gästen unter Paul Burtscher, 30. und 31. Oktober,
19 Uhr, Götzis, Kulturbühne Ambach