Wolfgang Sobotka: Vom Sprengmeister zum umstrittenen Präsidenten

Politik / 21.10.2022 • 11:00 Uhr / 6 Minuten Lesezeit

Der Nationalratspräsident gerät nach den Aussagen von Thomas Schmid unter Druck: “Alles frei erfunden”, kontert er.

Wien Baron Münchhausen. Mit diesen zwei Worten fasst Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) seine Sicht der Dinge in der Causa Thomas Schmid zusammen.

Umfassendes Geständnis

Das umfassende Geständnis des einstigen ÖBAG-Chefs sei frei erfunden, sagt der ÖVP-Politiker. Schmid wirft Sobotka vor, im Finanzministerium zur Steuerprüfung des Alois-Mock-Instituts interveniert zu haben, vermutlich im Jahr 2014. Der heutige Nationalratspräsident habe sich beschwert und Schmid gebeten, die Sache zu erledigen. „Ich habe diese Information im BMF entweder an Kabinettsmitarbeiter oder an Sektionschefs weitergegeben. Es ist dann im Sinne von Mag. Sobotka erledigt worden“, berichtet Schmid laut Vernehmungsprotokoll.

Wolfgang Sobotka: Vom Sprengmeister zum umstrittenen Präsidenten
Auszug aus der Beschuldigtenvernehmung.

Es ist ein schwerwiegender Vorwurf, der sich im 454 Seiten langen Protokoll findet – er ist genau sieben Zeilen lang. Da sei es „etwas bemerkenswert, daraus eine Causa zu machen“, kritisiert Sobotka. Gleichzeitig betont er, dass die Motivlage Schmids klar sei. Er wolle den Kronzeugenstatus und sich mit diesem „Rundumschlag“ selbst schützen. Man kenne ja „den Charakter dieses Mannes“.

Schmid äußerte schwere Vorwürfe gegen Sobotka. Dieser streitet ab. <span class="copyright">APA</span>
Schmid äußerte schwere Vorwürfe gegen Sobotka. Dieser streitet ab. APA

Doch auch Sobotka ist kein Unbekannter. Als Vorsitzender des Ibiza- und ÖVP-Korruption-U-Ausschüsse geriet er mehrfach in Kritik. Er selbst war auch als Auskunftsperson geladen, unter anderem weil das von ihm gegründete Alois-Mock-Institut vom Glückspielkonzern Novomatic finanziell unterstützt worden ist. Ursprünglich sprach Sobotka von Inseraten im Wert von 14.000 Euro. Später stellte sich heraus, dass es zwischen 2013 und 2019 doch 109.000 Euro gewesen sind. Das Geld floss unter anderem auch für gesponserte Veranstaltungen. Die Verteidigungslinie: Sobotka müsse nichts davon gewusst haben, da es sich um interne Abrechnungen der Novomatic handle und nicht um jene seines Instituts.

Sobotka war und ist als Vorsitzender des U-Ausschusses bei der Opposition, aber auch bei den Grünen, umstritten. <span class="copyright">APA</span>
Sobotka war und ist als Vorsitzender des U-Ausschusses bei der Opposition, aber auch bei den Grünen, umstritten. APA

Rufen, wonach er die Vorsitzführung in den U-Ausschüssen zurücklegen soll, kam Sobotka nicht nach. Und er denkt auch nicht daran, den Forderungen der Opposition zu folgen, als Nationalratspräsident zurückzutreten. Seine Kollegen im Präsidium – Doris Bures (SPÖ) und Norbert Hofer (FPÖ) – äußern sich dazu auf VN-Anfrage nicht. Am Ende bleibt es ohnehin Sobotkas alleinige Entscheidung, ob er im zweithöchsten Amt des Staates bleibt. „Die Funktion des Nationalratspräsidenten gilt für die ganze Periode, es sei denn er tritt freiwillig zurück“, erklärt Werner Zögernitz vom Institut für Parlamentarismus. Ein Misstrauensvotum oder eine Abwahl anderer Art sei nicht möglich. Ein Mandat verliert nur, wer rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem halben Jahr unbedingt oder einem Jahr bedingt verurteilt ist.

Sobotka (v.r.) legte sich in der rot-schwarzen Koalition unter Kern und Mitterlehner zugunsten von Kurz schon quer. <span class="copyright">APA</span>
Sobotka (v.r.) legte sich in der rot-schwarzen Koalition unter Kern und Mitterlehner zugunsten von Kurz schon quer. APA

Zurück zu Sobotka: Er stand Sebastian Kurz (ÖVP) stets nahe und galt neben seinem Parteikollegen Reinhold Lopatka einst als Sprengmeister der rot-schwarzen Koalition unter Christian Kern (SPÖ) und Reinhold Mitterlehner (ÖVP). So weigerte er sich etwa im Jänner 2017 – damals Innenminister – ein aktualisiertes Arbeitsprogramm der Regierung zu unterzeichnen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen war erst wenige Tage im Amt und musste ausrücken, um die Wogen zu glätten. Als Nationalratspräsident ist Sobotka seit 20. Dezember 2017 tätig, also seit jenem Zeitpunkt als die türkis-blaue Koalition fixiert worden ist. Elisabeth Köstinger hielt seinen Platz vorübergehend warm, bevor sie ins Landwirtschaftsministerium wechselte.

Für Aufsehen sorgte Sobotka außerdem mit seiner Forderung im U-Ausschuss, die Wahrheitspflicht für Auskunftspersonen abzuschaffen. Als die Oppositionsparteien von ihm forderten, seinen Vorsitz in dem Kontrollgremium abzugeben, zog er zudem einen unpassenden Vergleich mit der Ausschaltung des Parlaments im Jahr 1933.

Chats zwischen Kloibmüller (l.) und Sobotka führten zu Ermittlungen. <span class="copyright">APA</span>
Chats zwischen Kloibmüller (l.) und Sobotka führten zu Ermittlungen. APA

Ins Visier der Behörden geriet der Nationalratspräsident auch schon im März. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt dem Vernehmen nach gegen ihn wie auch drei weitere Personen. Der Verdacht: Missbrauch der Amtsgewalt. Alle vier Personen würden als Beschuldigte geführt, wie die VN in Erfahrung bringen konnten. Anlass ist eine Postenbesetzung bei der Wiener Polizei im Jahr 2017, als Sobotka noch Innenminister war. Politische Interventionen werden vermutet, wie Chatnachrichten mit dem einstigen Kabinettchef Michael Kloibmüller nahelegen. Eine Kandidatin soll von der ÖVP verhindert worden sein, weil sie als SPÖ-nahe gegolten habe. Aus den Chats geht ebenso hervor, dass sich die ÖVP um einen Gegenkandidaten gekümmert haben soll. Unter anderem Sobotka soll damit als damaliger Minister befasst gewesen sein. Er bestreitet alles. Es gilt die Unschuldsvermutung.