Kaum Schnee: Knochenbrüche fast im Minutentakt

Für rund 100 Personen täglich endet das Wintersportvergnügen im Krankenhaus.
Bludenz Feldkirch „Wir sind voll. Die Ambulanz ist voll. Der OP ist voll.“ Philipp Bichay, geschäftsführender Oberarzt der Unfallabteilung im LKH Bludenz, braucht nur drei Sätze, um die aktuelle Situation zu beschreiben.

Die ersten Verletzten kommen schon morgens, die letzten um acht Uhr abends. Dabei halten nicht nur Wintersportler Mediziner und Pflegepersonal auf Trab. Bichay spricht auch von Mountainbikern und Spaziergängern, die verarztet werden müssen. Hochbetrieb herrscht vor allem im Gipszimmer, wo 40 Gipse derzeit an der Tagesordnung sind. Der Schneemangel und die dadurch eingeschränkten bzw. teilweise überhaupt nicht vorhandenen Sturzräume zeitigen aber noch schlimmere Auswirkungen.

Primar René El Attal, Leiter der Unfallabteilung im LKH Feldkirch, berichtet von einer relativ hohen Anzahl an Schädel-Hirn-Traumen und Wirbelsäulenverletzungen. Insgesamt verzeichnen die Spitäler in Bludenz und Feldkirch täglich rund 100 Patienten, für die der Skiurlaub vorzeitig im Gipsraum oder im OP-Saal endet.
Von eisig bis sulzig
Verletzte, Schwerverletzte, sogar Tote: Dieser Skiwinter hat in einigen Bundesländern, etwa in Tirol, übel begonnen. Vorarlberg schrammte beim Lawinenabgang in Lech knapp an einer Katastrophe vorbei. „Es hätte da auch Tote geben können“, bemerkt Renè El Attal und wertet es als wahnsinniges Glück, bislang glimpflich davongekommen zu sein.

Er hat sich am 1. Jänner auf die Piste gewagt. „Am Morgen ist es sehr eisig, am Nachmittag fast frühlingshaft sulzig“, beschreibt er die Situation. Dazu komme, dass sich viele Leute auf teilweise sehr beengtem Raum tummeln und Stürze über den Pistenrand hinaus häufig direkt in steinigem Gelände enden, was die schweren Verletzungen erklärt. Nachdem in den vergangenen zwei Jahren pandemiebedingt wenig los war, nähert sich die Verletztenzahl nun wieder dem Niveau von 2019 an.
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Risikobereite Junge
40 Gipse täglich in Bludenz, 20 bis 30 in Feldkirch: Klassisch für die Wintersaison sind laut René El Attal Unter- und Oberschenkelbrüche, Schulterfrakturen und Schienbeinkopfbrüche. „Letztere sehen wir jeden Tag“, sagt er und ergänzt: „Das für einen Winter übliche Muster.“ Doch nicht alle Unfallopfer verletzten sich auf der Piste. Sie stürzen auf dem Weg zum Lift oder zum Hotel.

Philipp Bichay hat festgestellt, dass sich unter den verletzten Wintersportlern kaum Einheimische finden: „Es trifft fast ausschließlich Touristen.“ Er führt das vorrangig auf mangelnde Übung zurück. Diese Meinung teilt auch sein Arztkollege aus Feldkirch. Bei Kindern ist der Anteil an Verletzten glücklicherweise gering, bei den risikobereiten 16- bis 25-Jährigen umso höher.
Die Kontrolle behalten
Das LKH Bludenz ist erste Anlaufstelle für Verletzte aus den Skigebieten des Oberlands. Entsprechend stark frequentiert ist der OP-Saal. „Außer Becken- und Wirbelsäulenverletzungen, die nach Feldkirch kommen, operieren wir alles“, erklärt Philipp Bichay. Deshalb arbeitet das Team bis Ostern in verstärkter Besetzung.

„Es ist dennoch erstaunlich, dass bei diesen Verhältnissen nicht mehr passiert“, wundert sich René El Attal, und Bichay hält 40 Gipse am Tag auch noch für akzeptabel. Beide Ärzte rechnen in den Semesterferien mit deutlich mehr verletzten Wintersportlern, sollte bis dahin der Winter einziehen.
Die Empfehlung der Unfallchirurgen für die schneearme Zeit: Kontrolliert, genussvoll und nicht überambitioniert fahren, Ruhepausen einhalten, wenn die Knie schwach und wacklig werden und die Oberschenkel brennen, Helm tragen und: „Es ist nicht angeraten, die Tageskarte auszureizen, sondern gescheiter, bei Nachlassen der Kräfte aufzuhören. Wegen 15 Euro sollten keine Verletzungen und langen Krankenstände riskiert werden.“
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