„Dem großen Alten“ zum 100. Geburtstag

Norman Mailer wäre am 31. Jänner 100 Jahre alt geworden.
New York Der amerikanische Bestsellerautor Norman Mailer und zweifache Pulitzer-Preisträger hätte am Dienstag, 31. Jänner, seinen 100. Geburtstag gefeiert. Mit seinen provokanten Romanen, Essays und journalistischen Arbeiten sorgte er immer wieder für Aufsehen und Widerspruch. Der amerikanische Autor Tom Wolfe meinte bei seinem Tod im Jahr 2007: “Er war eine gewaltige Energiequelle für die gesamte literarische Welt, er war ein Motor, ein Generator.” Nobelpreisträger Sinclair Lewis nannte den jungen Kollegen früh “den größten Schriftsteller, den seine Generation hervorgebracht hat”. Mit zahlreichen privaten Skandalen galt er aber auch als “enfant terrible” der Schriftstellerzunft. Nicht zuletzt wegen seiner privaten Eskapaden wurde ihm nie der Literaturnobelpreis verliehen.

Am 31. Januar 1923 als Sohn einer aus Litauen eingewanderten jüdischen Bücherrevisorfamilie in New Jersey geboren, wuchs Mailer in Brooklyn auf. Er studierte Flugzeugbau an der Harvard Universität und lernte in Schriftstellerkursen, “wie man es nicht machen soll”. Bevor er seine Ausbildung an der Pariser Sorbonne beenden konnte, musste er als GI auf die Philippinen und nach Japan – die letzten beiden Kriegsjahre.

Bereits 1948 schrieb der damals gerade 25-jährige Mailer mit “Die Nackten und die Toten” den wohl bedeutendsten Roman über den Zweiten Weltkrieg. Das Buch begründete seinen literarischen Ruhm weltweit.
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Danach beschäftigte sich der Autor immer wieder mit der Sinnlosigkeit von Kriegen, doch nie wieder wurde ihm der Beifall zuteil, den er für seinen Erstlingsroman geerntet hatte, der in fast alle Sprachen übersetzt und einer der größten internationalen Bestseller der Nachkriegszeit war.

In den 1960er- und 1970er-Jahren setzte Mailer mit einer neuen Form des Journalismus Maßstäbe. Kaum ein anderer US-Autor hat ein so breites und vielseitiges Werk vorgelegt wie Mailer. Seine Themen waren Krieg und Frieden, Gott und Teufel, Sex und Gewalt – und immer wieder die kritische Auseinandersetzung mit dem “Amerikanischen Traum” und seiner oft mangelhaften Umsetzung in der Praxis. Er schrieb Reportagen und große Essays, die längst Geschichte und Literaturgeschichte sind. “Supermann kommt in den Supermarkt” gehört dazu, sein Bericht über den demokratischen Parteikonvent in Los Angeles, bei dem John F. Kennedy zum Präsidentschaftskandidaten gekürt wurde. 1969 beschrieb er in “Heere aus der Nacht” einen Friedensmarsch in Washington, der mit seinem ersten Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde. Den zweiten erhielt er 1980 für sein Buch “Gnadenlos – das Lied vom Henker”, in dem er das Schicksal des 1977 hingerichteten Doppelmörders Gary Gilmore schilderte. Immer wieder sorgte der polemische Rebell auch politisch für Furore. 1967 wurde er für seine Teilnahme an einer Demonstration gegen den Vietnamkrieg verhaftet.

Sechsmal war er verheiratet, zeugte neun Kinder. Seiner zweiten Frau Adele Morales stach er 1960, wie so oft schwer betrunken, ein Messer in den Bauch. Als sie sich weigerte, mit den Anklagebehörden zu kooperieren, erhielt er nur eine Strafe auf Bewährung.

1969 versuchte er in einer weltweit schlagzeilenmachenden Kampagne mit dem Motto “Wählt die Schurken” vergeblich, Bürgermeister von New York zu werden. Als die US-Frauenbewegung ihm Sexismus vorwarf und ihn als “reaktionäres Schwein” beschimpfte, zeigte Mailer mit der Auflistung seiner Obsessionen ein für alle Mal, dass die Damen sich nicht geirrt hatten: Sein Monolog “Gefangen im Sexus” in der Zeitschrift “Harper’s Bazaar” sorgte für einen derartigen Aufruhr, dass der Chefredakteur und ein beträchtlicher Teil der Redaktion das Blatt verließen. Ähnliche Aufmerksamkeit erwarb er mit der Autobiografie Jesus Christus, die er 1997 zum Entsetzen von Gläubigen in der Ich-Form veröffentlichte.
Über sein Lebenskonzept war er sich immer sicher: “Ich wusste, dass es eine Sache gibt, die ich wirklich will – und das war zu schreiben.“
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