Bestellung von Botschafter sorgt nun für türkis-grünen Zwist

Grüne fordert Abberufung, Außenministerium lehnt das ab.
Von Julia Schilly und Maximilian Werner
Wien, Schwarzach Die Causa rund um die Bestellung des ehemaligen Sprechers von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zum österreichischen Botschafter in den Vereinigten Arabischen Emiraten sorgt nun auch koalitionsintern für Zwist. Am Montag forderte Ewa Ernst-Dziedzic, die außenpolitische Sprecherin der Grünen, im “Standard”, dass das Außenministerium Etienne Berchtold von seinem Posten, den er im August 2022 angetreten hatte, wieder abberuft. Das Außenministerium lehnte dieses Ansinnen umgehend ab.
Berchtold soll laut einem Gutachten der Gleichbehandlungskommission aus “parteipolitischen Gründen” zum Botschafter in Abu Dhabi ernannt worden sein, die VN berichteten. Ein besser qualifizierter Kandidat wurde laut Gutachten diskriminiert. Diese Person hatte Beschwerde eingereicht. Er hat nun theoretisch Anspruch auf das entfallene Botschaftergehalt. Die Kommission verweist in ihrem Gutachten auf “schadenersatzrechtliche Ansprüche”.

Uneinigkeit zwischen zwei Kommissionen
Angesiedelt ist die Gleichbehandlungskommission im Bundeskanzleramt, über Diskriminierungen aus weltanschaulichen Gründen entscheidet ihr Senat II. Neben dem Vorsitzenden werden dorthin Vertreter von Arbeiterkammer, Gewerkschaft, Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung, Bundeskanzleramt und Arbeitsministerium entsandt.
Das Außenministerium teilte das Gutachten der weisungsfreien Kommission nicht. Die ständige Begutachtungskommission des Ressorts und die Bundes-Gleichbehandlungskommission hätten “verschiedene Aspekte der Qualifikationen der Bewerber unterschiedlich gewichtet und daher anders beurteilt bzw. rechnerisch gegenübergestellt”.
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Kanzlersprecher kritisierte Berichterstattung des ORF
Zahlreiche Politiker, Funktionäre und Sprecher der ÖVP – darunter auch Ex-Kanzler Kurz – rückten am Sonntag aus, um Berchtold auf Twitter zu verteidigen. Berchtold habe drei Studien absolviert, spreche fünf Sprachen und habe mehr als neun Jahre internationale Erfahrung, betonte Kurz. Ex-ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner meinte: “Jeder, der sich einmal fünf Minuten mit Etienne Berchtold unterhalten hat, weiß, dass seine Qualifikation und Kompetenz unbestritten ist.”
Daniel Kosak, Sprecher von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), übte in diesem Zusammenhang sogar Kritik an der Nachrichtenauswahl des ORF: “Interessant, wie die Bestellung eines hoch qualifizierten Kollegen es zur Topmeldung auf orf.at schafft. Und zugleich die heutige Diskussion über die künftige Finanzierung des ORF nicht einmal eine Erwähnung wert ist.”
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Berater von Karin Kneissl
Dabei stand nicht zur Debatte, ob Etienne Berchtold prinzipiell für den Posten qualifiziert wäre. Der studierte Jurist hat bei der Ständigen Vertretung Österreich bei der EU in Brüssel Auslandserfahrung gesammelt und war etwa auch Sprecher bei Shell. Die Gleichstellungskommission stellte lediglich fest, dass der andere Bewerber über noch bessere Qualifikationen und mehr Erfahrung verfügt.
Martin Engelberg, Bereichssprecher für Internationale Entwicklung der Volkspartei, wies auf den politischen Hintergrund des anderen Bewerbers hin: Dieser sei ein Berater der ehemaligen Außenministerin Karin Kneissl gewesen. Die von der FPÖ nominierte Ex-Ministerin hat bekanntermaßen enge Kontakte zu Russland, der russische Präsident Wladimir Putin war Gast bei ihrer Hochzeit. “Jeder, der Dr. Berchtold und seinen Lebenslauf kennt, weiß, dass die Kritik vollkommen ins Leere geht. Ich bin froh, dass er uns als erfahrener Diplomat vertritt und nicht jemand, der von einem blauen Postenschacher profitiert hätte”, so Engelberg.

Immer mehr “politische Beamte”
Verwaltungsjurist Peter Bußjäger sieht in öffentlichen Ausschreibungsverfahren vor allem einen Kritikpunkt: Fehlende Transparenz. Zwar würden die Posten mit den zugrundeliegenden Kriterien ausgeschrieben werden. Aufgrund welcher Gesichtspunkte die Personalkommission zu welcher Entscheidung gekommen ist, wird aber nicht veröffentlicht: “Wenn zumindest die Entscheidungsgründe offengelegt werden, sorgt das für ein qualitativeres Bewerbungsverfahren – weil es von außen nachvollziehbar ist.” Das könnte auch für das Ministerium selbst eine Möglichkeit sein, die Diskussion rund um Postenvergaben zu objektivieren, so Bußjäger.
Im Allgemeinen sei der Quereinstieg aus den Ministerkabinetten in den Staatsdienst nichts Schlechtes. In den letzten Jahren habe sich deren Anzahl aber immer weiter erhöht, immer mehr Menschen hätten also auf einen Job in der Verwaltung gehofft: “Das Problem ist aber, dass Menschen, die quer einsteigen, vergleichsweise wenig Erfahrung in der Verwaltung haben.” Solche “politischen Beamte”, also jene, die direkt im Büro des Ministers arbeiten und deren Verträge auch nur für dessen Amtszeit gelten, seien aber natürlich prinzipiell notwendig: “Selbstverständlich braucht die Politik Menschen, die eine Verbindung zum Verwaltungsapparat herstellen.” Wenn diese dann aber in großer Anzahl dort unterkommen, könne der Frust unter Beamten, die den klassischen “Dienstweg” auf sich genommen hatten, steigen, sagt Bußjäger.
Gefahr einer politisierten Verwaltung
Außerdem bestehe die Gefahr einer politisierten Verwaltung: “Wenn du nur noch Menschen hast, die ihren wesentlichen Teil der Berufslaufbahn in politischen Kabinetten absolvierten, wurden sie auch dementsprechend sozialisiert – ganz egal welcher Partei sie angehören.” Von außen sei nicht zu beurteilen, ob der Anlassfall – der Botschafterposten in Abu Dhabi – parteipolitisch motiviert war, “aber darauf deutet das Gutachten der Kommission hin und es veranschaulicht das Grundproblem”, so Bußjäger.
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