Eine überaus komplizierte Beziehung

Die NFL und ihr ambivalenter Umgang mit der Sicherheit ihrer Spieler.
Schwarzach „The show must go on.” ist ein immerwährender Klassiker der Unterhaltungsbranche. Dass die „Show“ bei einem der tragischsten Zwischenfälle der jüngeren Sport-Vergangenheit fast weiter gegangen wäre, wirft einmal mehr kein gutes Licht auf die National Football League (NFL) und ihren Umgang mit den fast 1700 Profis auf den Kader-Listen.

Ein Rückblick: Am dritten Jänner dieses Jahres duellieren sich die Top-Teams aus Cincinnati und Buffalo zur amerikanischen Primetime in einer von den Fans mit Spannung erwarteten Auseinandersetzung. Als im ersten Viertel Buffalo Bills-Verteidiger Damar Hamlin – nach einem vermeintlichen harmlosen Versuch seinen Gegenspieler zu stoppen – bewusstlos zusammenbricht und nach einem Herzstillstand minutenlang um sein Leben ringt, erreichen erste Meldungen die mediale Öffentlichkeit, dass man durchaus gedenke die Partie fortzusetzen. Erst als Führungsspieler und Trainer beider Teams signalisieren, dass ob der Schwere der Situation niemand auch nur im Entferntesten an eine Fortsetzung der Partie denkt, wird das Spiel auch tatsächlich abgebrochen.

Es dürfte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht das letzte Mal bleiben, dass die NFL in solch einer Extremsituation tendenziell für das Weiterführen der „Show“ votiert. TV-Verträge mit einem Gesamtvolumen von über 100 Milliarden Euro bedingen fast unweigerlich, dass Spiele bzw. Übertragungen stattzufinden haben.

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Bleibende Schäden
In NFL-typischer, bedeutungsschwangerer Gravität wird seit Jahren mit dem Fokus auf „player safety“ oder Slogans wie „Football is family“ (zu deutsch: Football ist Familie) geworben. Wie schnell es mit dem familiären Gedanken dann aber auch wieder zu Ende ist, zeigt nicht zuletzt der Umgang mit (multiplen) Gehirnerschütterungen und den daraus resultierenden, degenerativen Erkrankungen.

In einem Vollkontaktsport wie American Football sind schwere (Kopf-)Verletzungen nie ganz vermeidbar. Ein Bewusstsein über die potentiellen Langzeitfolgen gibt es aber erst seit wenigen Jahren. Anfang der 2000er beginnt ein Forscher namens Bennet Omalu die Gehirne von sehr früh verstorbenen Ex-NFL-Spielern zu untersuchen. Er weist nach, dass wiederholte Schläge, Stöße und Erschütterungen des menschlichen Gehirns – wie sie im Football häufig passieren – mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit zu einer chronisch-traumatischen Enzephalopathie (CTE) führen. Davon Betroffene bauen mental bereits im mittleren Alter rapide ab, sind motorisch teils stark eingeschränkt und verändern – im Extremfall – gar ihre Wesenszüge.

Umdenken nach Obamas Worten
Als die Forschungsergebnisse von Omalu publik werden, unternimmt die NFL sogleich erste Versuche, um die Kausalität zwischen Football, Gehirnerschütterungen und deren Langzeitfolgen runterzuspielen. Klassische Litigation-PR also. Erst als der mediale Druck zu groß wird – und so nebenbei ein Film über Omalus Arbeit mit Will Smith in der Hauptrolle gedreht wird – rudern die Verantwortlichen zurück und lancieren große Kampagnen, die auf Bewusstseinsbildung ausgelegt sind.

Denn spätestens als der damalige US-Präsident Barack Obama 2014 meinte, dass er einen potentiellen Sohn nie Football spielen lassen würde, war für die NFL Feuer am Dach. Immerhin wissen aktuelle und angehende Profis mittlerweile besser Bescheid, worauf sie sich einlassen. Dass am System NFL – bestehend aus Team-Besitzern und Spielern – aber dringend nachjustiert werden sollte, daran bestehen wenig Zweifel. Ex-NFL-Spieler bekommen erst nach drei vollen Spielzeiten eine Pension. In einem Sport, wo die durchschnittliche (!) Karriere gerade mal etwas über drei Jahre dauert.
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Martin Pfanner ist selbstständiger Journalist, TV-Kommentator und Sendungsproduzent. Er arbeitet u.a. für PULS 24 und das Streaming-Portal DAZN. American Football und Eishockey sind seine großen Passionen.
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