“Polizisten lügen nicht”

Wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt wurde eine junge Frau verurteilt. VN/RP
Weil sie am Rande einer Coronademo Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet haben soll, wurde eine 29-Jährige schuldiggesprochen.
Von Raffael Hummer
Feldkirch “Schuldig im Sinne der Anklage” lautete das Urteil am Mittwoch. Sehr zum Unmut des Verteidigers der Angeklagten: “Wir gehen. Das ist doch so daneben. Unfassbar!” Die Begründung für den Schuldspruch wartet Rechtsanwalt Sanjay Doshi nicht mehr ab. Stattdessen schnappt er sich seine Mandantin und verlässt mit ihr den Verhandlungssaal am Landesgericht Feldkirch. “Volle Berufung” schimpft er noch auf dem Weg hinaus.
Weil sie Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet habe, war Doshis 29-jährige Mandantin angeklagt. Nach einer langen Autoreise wollte die Beschuldigte nach Hause, in der Folge kam es wegen einer Straßensperre aufgrund einer Coronademo zu einer verbalen Auseinandersetzung mit zwei Polizeibeamten. Dabei soll sie einen der Polizisten gefährdet haben.
Videobeweis
Zufällig war zu diesem Zeitpunkt auch ein Kameramann des ORF vor Ort, um Bildmaterial von etwaigen Staus infolge des Coronaprotests zu sammeln. Ein Ausschnitt davon wurde im Verfahren als Beweismittel geführt. Zu sehen ist darin von dem Vorfall nur wenig. Der Kameramann hatte nach kurzer Zeit das Interesse an der Situation verloren. Stattdessen schwenkt er auf den Stau, der sich inzwischen gebildet hatte. “Fahren Sie weiter, sie halten den ganzen Verkehr auf”, hört man den Polizisten rufen. Dann eine Hupe. Die Kamera schwenkt zurück auf das Geschehen. Der Polizist geht auf das Auto der Angeklagten zu und bedeutet ihr, dass sie den Kreisverkehr in Richtung Reichsstraße verlassen möge.
Ursprünglich lautete der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, die 29-Jährige sei in der Zeit des Kameraschwenks auf den Polizeiinspektor zugefahren. Deswegen habe er sich in Sicherheit bringen müssen, um nicht gerammt zu werden. Das Oberlandesgericht in Innsbruck jedoch gab dem Einwand Recht, dass sich das von Zeit und Weg her nicht ausgeht. Im zweiten Anlauf lautet der Vorwurf, dass es sich doch im Vorfeld der Videoaufnahme zugetragen haben muss.
Zweifelhafte Zeugen?
Den Satz “Polizisten lügen nicht” will Verteidiger Doshi so nicht stehen lassen. In einem anderen Fall habe der betreffende Inspektor Zeugenaussagen in seinen Bericht aufgenommen, obwohl er nie mit ihnen gesprochen habe. Er wolle hier niemandem etwas vorwerfen, aber man müsse doch einsehen, dass auch Polizisten nicht unfehlbar seien. Den Richter beeindrucken diese Einwände nicht. Er verurteilt die Angeklagte zu einer Geldstrafe in der Höhe von 6000 Euro, die Hälfte davon bedingt.
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