Keine “Gsiberger” mehr

VN / 20.02.2023 • 19:32 Uhr / 8 Minuten Lesezeit
Viele Vorarlberger schrieben in der Mundart auch per WhatsApp. <span class="copyright">VN/STEUrer</span>
Viele Vorarlberger schrieben in der Mundart auch per WhatsApp. VN/STEUrer

Buchautor Wolfgang Berchtold über die Besonderheiten des Vorarlberger Dialekts.

Götzis Heute ist der internationale Tag der Muttersprache. Die sprachliche und kulturelle Vielfalt ist auch in Vorarlberg groß. Allein im Unter- und Oberland gibt es zahlreiche Unterschiede. Anlässlich dessen haben die VN Wolfgang Berchtold zur Sprache und dem Vorarlberger Dialekt befragt. Als Autor des Vorarlberger Sprichwörterbuchs weist der Götzner ein großes Wissen über die Sprachwelt auf.

Wolfgang Berchtold hat "Das Vorarlberger Sprichwörterbuch" geschrieben. <span class="copyright">VN/PEM</span>
Wolfgang Berchtold hat "Das Vorarlberger Sprichwörterbuch" geschrieben. VN/PEM

Was fällt ihnen als Erstes ein, wenn ich Sie nach dem Vorarlberger Dialekt frage?

Der Vorarlberger Dialektraum ist einer der vielfältigsten im deutschsprachigen Europa. In den einzelnen Tälern haben sich über die Jahrhunderte ganz eigene Ausdrucksformen, Sprachmelodien und Wortformen herausentwickelt. Mit der Vielfalt der Ausdrucksformen hat unser Dialektraum ein Alleinstellungsmerkmal. Dazu muss allerdings gesagt werden, dass sich diese Unterschiede immer mehr einglätten.

Was ist das Authentischste am Vorarlberger Dialekt?

Etwas sehr Typisches an unserem Dialekt ist der Vokalismus, der uns von anderen Regionen, vor allem von Restösterreich, unterscheidet. So sagt man bei uns Huus statt Haus oder Loam statt Leim. Aber einige Begriffe gibt es nur bei uns wie Häs (Kleidung), Bummer (Hund), Schträl (Kamm) und noch einige mehr.

Früher waren wir „Gsiberger“, das hört man heute nicht mehr oft?

Vor einigen Jahrzehnten war das „gsi“ noch das Erkennungsmerkmal der Vorarlberger Mundart. Wir waren für alle Österreicher hinter dem Arlberg die „Gsi-berger“. Heute beklagen viele Mundartfreunde, dass wir zu „War-bergern“ geworden sind – statt „mir sind gsi“ sagen heute die meisten: „wir waren“. Das hat einen einfachen Grund. Normalerweise ist die Mundart kürzer als die Standardsprache, nur die Sätze mit dem „gsi“ machen da eine Ausnahme, sie sind umständlicher. Für „Er ischt dahoam gsi“ sagt man deshalb heute oft „Er war dahoam“.

Glauben Sie, dass viele aus dem Ländle im Dialekt per WhatsApp schreiben?

Das glaube ich nicht nur, das weiß ich, mache ich ja auch selbst. Schreiben im Dialekt hat mehrere Vorteile. Es ist ökonomischer, man ist also in der Regel schneller, es ist persönlicher, man kann Gefühle weniger gekünstelt ausdrücken und – ganz wichtig – man kann eigentlich keine Fehler machen, denn für die geschriebene Mundart gibt es keine offiziellen Regeln.

Da hört man aber oft die Kritik, dass die Jugend durch das Schreiben in Mundart das korrekte Schreiben verlernt?

Das sehe ich nicht so. Im Gegenteil, es wurde erstens noch nie so viel geschrieben wie heute, und schreiben fördert die Sprachkompetenz, ob in Standardsprache oder in Mundart. Und zweitens finde ich es außerordentlich spannend, dass erstmals in unserer Sprachgeschichte die Jungen tagtäglich in Mundart schreiben. Das ist beispiellos in unserer Landesgeschichte.

Woran liegt die Schwierigkeit beim Schreiben im Dialekt?

Ganz so schwierig kann es nicht sein, denn sehr viele schreiben in Mundart. Man braucht dazu nur etwas Selbstvertrauen und ein wenig Sprachgefühl. Wir sind durch das normierte Schreiben in der Schriftsprache so kontrollfixiert, dass wir Mühe haben, frei und nach dem eigenen Gefühl gesprochene Sprache in Geschriebenes umzusetzen. Da muss man sich etwas befreien und mutig die Mundart nach eigenem Gutdünken aufs Papier bringen.

Wo funktioniert der Vorarlberger-Dialekt nicht? Haben sie ein Beispiel?

Das haben sicher schon viele Vorarlbergerinnen und Vorarlberger selbst bemerkt, einen wichtigen Satz kann man nämlich nicht in die Mundart übersetzen: „Ich liebe dich“. Auf Vorarlbergerisch klingt das zum Davonlaufen!

Was ist ihr Lieblingswort oder Ausdruck (im Dialekt)?

Nachdem ich mich die letzten Monate mit Sprichwörtern und Redewendungen auseinandergesetzt habe, möchte ich ein paar Sprüche teilen, die mir sehr gefallen: Ma ischt z‘ früah alt und z‘ schpot gschiid. A reachts Huus heat a reachts Kämmi. Wenn Katza Rösser wären, könnt ma uf d‘ Bömm ufferitta. Ma ölat all es Rädle zearscht, wo am lüttaschta pfiift. Wer sälb Dräck am Schtäacka heat, sött ned andara i dr Nasa bohra.

Umfrage: So spricht Vorarlberg

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“Dialekt, i maan des isch bei mir scho so a kle Mischmasch, aber i fühl mi als Vorarlberger, i bin Vorarlberger, o wenn mine Eltra ned Vorarlberger sind. Da Papa ischt Banater Schwabe gsi, also an Rumäne deutschstämmiger Abstammung, und mine Mama ischt a Wianarin gsi. Spezielles Wort? Du… des was ma etzt so einfach ifallt ischt ‘Spara spara hüsle baua – Katz’ vrkoofa selbr muusa.’ Typisch sparsam, Vorarlberger sin sparsam.”

Peter Rangl, 65, aus Bürs
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“A Wort oda was hättsch no gern? ‘Goga’ find i guat, mini Frou kummt vom Hintrwald, vo Schoppernau, döt seht ma Goga und des find i a cools Wort. Odr ‘Luag’, schauen, ‘Gugga’, isch o schauen. Vo mina Frou da Neffe hat amol gset ‘i kann drü sprocha: schoua, luag und gugga!'”

Josef Dünser, 43, aus Hittisau
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“I bia an Dorabirar. I bia ou do ufgwachsa, i red Dorabirisch, isch schüa. Aba isch natürlich wie bei alla, wenn’s natürlich i’s Ausland goht, odr irgendwo ane, im Rescht vo Östrich git’s halt a kle Bödele-Dütsch, odr, weil sus verstoht üs halt niamand. I denk des isch jo o normal odr. I denk da Dornbirnr Dialekt isch doch ned so stark prägt, aso i denk as man doch aso im Land fascht übrall verstoht. Ond sus, ‘gsi’ isch Vorarlbergerisch, des gialt für üs alle odr, des prägt üs gloub a kle. I fiand des a schüas Wort, well, des ghört so a kle üs.”

Peter Dobler, 65, aus Dornbirn
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VN/Hummer

“Ich wohne seit 17 Jahren in Vorarlberg. Aber reden tu’ ich nicht so, also ich maße es mir nicht an. Weil ich glaube, dass es sehr peinlich ist, wenn man versucht einen Dialekt nachzuahmen, der über Jahre oder Jahrzehnte entstanden ist durch die Kultur. Es würde wahrscheinlich Bödeledütsch rauskommen und das ist oberpeinlich hab ich mal gehört. Es gibt viele Vorarlberger Wörter, die ich cool finde. Was ich nutze ist ‘Stiege’ zum Beispiel, das gibt’s im Deutschen nicht, man sagt ‘Treppe’. Oda ‘Brutal’ das sind so einzelne Wörter, die ich mit reinspielen lasse.”

Sandra Breuer, 49, aus Dornbirn

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